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Ein streitbarer Kardinal

Der irische Primas Tomas O Fiaich starb in Lourdes  ■ P O R T R A I T

Aus Dublin Ralf Sotscheck

Des einen Freud, des andern Leid: Der Primas von Gesamt -Irland, Kardinal Tomas O Fiaich, löst selbst über seinen Tod hinaus kontroverse Reaktionen aus. Während geistliche und weltliche Führer aller Schattierungen in Großbritannien und der Republik Irland Bestürzung über das plötzliche Ableben des Kardinals äußerten, bezeichnete ihn der Belfaster Pfarrer und Politiker Ian Paisley als „Knüppel Roms gegen die nordirischen Protestanten“. Der unionistische Westminster-Abgeordnete Martyn Smith aus Süd-Belfast hoffte gestern, daß die katholische Hierarchie „die Gelegenheit nutzen“ werde, einen „positiveren Führer“ mit weniger Sympathien für die Irisch-Republikanische Armee einzusetzen.

O Fiaich, ein Experte in irischer Geschichte und Kultur, war ein streitbarer Kardinal. Er wurde 1923 im nordirischen Cullyhanna/Grafschaft Armagh geboren, das heute mehr oder weniger von der IRA kontrolliert wird. 1977 wurde er - als 112. Nachfolger St. Patricks, des Schutzpatrons von Irland zum Bischof von Armagh ernannt. Damit wurde er automatisch auch Primas von Irland. Während des IRA-Hungerstreiks 1981, bei dem zehn Gefangene starben, setzte er sich für die politischen Häftlinge ein und verglich die Knastbedingungen mit dem „Leben in der Kanalisation von Kalkutta“. Er forderte die britische Regierung wiederholt auf, ihre Truppen aus Nordirland abzuziehen. Er kämpfte jedoch auch erfolgreich gegen die Zulassung von Scheidungen, die er als „Seuche“ bezeichnete, und forderte - weniger erfolgreich das Verbot von Verhütungsmitteln.

O Fiaich starb am Dienstag abend während seiner alljährlichen Pilgerfahrt im französischen Wallfahrtsort Lourdes an akutem Herzversagen. Der letzte aus Armagh stammende Primas, St. Malachy, war im 12. Jahrhundert ebenfalls in Frankreich gestorben. Diese Parallele „hätte O Fiaich vermutlich gut gefallen“, glaubt die 'Irish Times‘.

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