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Unerwünschte Arbeiter

■ SPD-Unterbezirk West lehnte Satzungsänderung ab

Bisher galt der SPD-Unterbezirk West immer als der arbeitnehmerstarke. Dieses Bild wurde bei seiner jüngsten Delegiertenkonferenz jedoch heftig erschüttert: Mit 28 Neinstimmen und 11 Enthaltungen fiel die Satzungsänderung zur Zulassung von Delegierten aus den Betriebsgruppen schmählich durch. Nur 63 SozialdemokratInnen, und damit keineswegs die erforderliche zwei Drittel-Mehrheit, wollten die Arbeitnehmergruppen direkt im Unterbezirk beteiligen, ihnen Stimm- und Antragsrecht verleihen. Siegfried Mikoteit, in der zweiten Periode Hauptkassierer im UB-West, erklärte in einer spontanen Reaktion seinen Rücktritt aus dem Vorstandsamt. Die GenossInnen blickten betreten drein beim Nachhauseweg, als ihre zuvor von Dagmar Lill (UB-West -Vorsitzende) als „politisches Signal“ eingeforderte Entscheidung plötzlich Konsequenzen hatte.

Mikoteit ist Betriebsgruppenleiter der ehemaligen MBB, jetzigen Deutschen Airbus Industrie-Betriebsgruppe. „Es geht nicht an, daß wir nur als Feigenblatt mißbraucht werden von einem Bezirk, der sich selber mit dem Attribut Arbeitnehmerbezirk schmückt“, sagte Mikoteit. Einzelne Kollegen im Betrieb hätten gestern morgen seinen Rücktritt ebenso spontan begrüßt wie andere befürchten, daß die Betriebsgruppen dadurch eine wichtige Anbindung an die Partei verlieren. Und Manfred Jabs, Betriebsgruppensekretär der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD (AfA), erklärte: „Der Unterbezirk West hat sich nun isoliert und politisch aktive Arbeitnehmer ausgeschlossen.“ Der AfA -Vorstand sei stocksauer: „Die Betriebsgruppen werden sich nun überlegen müssen, wie die politische Zusammenarbeit mit den Ortsvereinen zukünftig gestaltet werden kann“, meinte Jabs. Immerhin lägen im Westen die starken Betriebsgruppen des Hafens, der Straßenbahn, von Klöckner und der Flugzeugindustrie. Allein in der Betriebsgruppe Polizei seien schätzungsweise 600, bei MBB 450 und bei Klöckner rund 350 SPD-Mitglieder. „Da wurde bislang ein gerüttelt Maß der politischen Basisarbeit geleistet“, betont der SPD -Betriebsgruppensekretär.

Vor zwei Jahren hatte ein Bundesparteitagsbeschluß in Münster den SPD-Unterbezirken diese satzungsrechtliche Möglichkeit eröffnet, Betriebsgruppen-Delegierte als zusätzliche, ordentliche Mitglieder aufzunehmen zahlenmäßig begrenzt, da per Parteiengesetz höchstens ein Fünftel der Mandate gebunden werden darf. Die Landesorganisation hatte im Januar einen entsprechenden Vorstoß gewagt, um auf diesem Wege 19 Delegierte des zulässigen Fünftels direkt aus den Betrieben zu rekrutieren

-neben den 21 Vorstandsmitgliedern, die den Rest des zusätzlichen, mandatsgebundenen Fünftels ausmachen. Doch der Landesparteitag hatte abgelehnt, aus Protest war daraufhin der AfA-Vorstand zurückgetreten.

Die übrigen Bremer Unterbezirke haben in den vergangenen Monaten dagegen ihre Satzungen entsprechend geändert. Mit Zulassung der ArbeitnehmerInnen ohne Umwege über Mandate aus den Ortsvereinen will die Partei ein zweites Standbein an der Basis schaffen und näher an den Themen in den Betrieben gestalten.

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