: Kopfsteuer Thatchers Kopfschmerz
Thatcher kommt um Modifizierung der umstrittenen Polltax nicht herum / Heseltines Alternativkonzept sieht Höchstgrenze vor / Acht Millionen werden bis Jahresende boykottieren ■ Von Ralf Sotscheck
Die umstrittene Kopfsteuer läßt der britischen Premierministerin Margaret Thatcher keine Ruhe. Thatcher hat vergeblich versucht, das Ergebnis der Lokalwahlen in der vergangenen Woche in einen persönlichen Triumph umzumünzen. Die Tories hatten vor neun Tagen zwar starke Verluste, jedoch nicht den erwarteten Einbruch erlitten. Das interpretierte die Premierministerin als Bestätigung für ihr egalitäres System der Gemeindeabgaben. Innerhalb der Partei gärt es jedoch weiter.
Noch am Wahlabend hatten selbst loyale Tory-Hinterbänkler Änderungen des Kopfsteuergesetzes gefordert, um die gröbsten Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes im April legen die Gemeinden die Höhe der Steuer unabhängig vom Einkommen fest. Der konservative Abgeordnete Sir Rhodes Boyson sagte jedoch: „Wenn eine Familie den Opa zuhause pflegt, muß sie Kopfsteuer zahlen. Gibt sie ihn in ein Heim, zahlt sie nichts. Das kann nicht angehen.“
Am Mittwoch abend legte Thatchers Widersacher und Favorit für ihre Nachfolge, Michael Heseltine, sein Alternativkonzept vor. Danach soll die Regierung eine allgemeingültige Höchstgrenze für die Kopfsteuer festlegen. Wollen die Gemeinden diese Grenze jedoch überschreiten, sollen sie sämtliche Ratssitze zur Neuwahl ausschreiben. Dadurch wäre eine direkte Ausgabenkontrolle durch die WählerInnen gewährleistet, sagte Heseltine. Thatcher lehnte dieses Konzept allerdings umgehend ab. Heseltine habe zwar einige gute Ideen, doch „strukturelle Änderungen“ kämen vor den nächsten Parlamentswahlen in zwei Jahren nicht in Frage, sagte die Premierministerin.
Schottlandminister Malcolm Rifkind wurde noch deutlicher: „Heseltines Prinzipien sind zwar unangreifbar, aber seine Schlußfolgerungen sind irgendwie pervers.“ Mit seinem Vorstoß will Heseltine offenbar seinen Anspruch auf die Führung der Konservativen untermauern.
Thatcher stellte dagegen am Donnerstag klar, daß sie ihre Position „als Mittelstürmerin eines siegreichen Teams“ keineswegs aufgeben werde.
Thatcher kommt an einer Modifizierung der Kopfsteuer jedoch nicht vorbei. Die Tories hatten versucht, 20 Gemeinden zur Senkung der Steuersätze zu zwingen. Durch geschickte Festlegung der Kriterien traf es dabei keine einzige Gemeinde, die von den Konservativen regiert wird. Die Betroffenen haben gegen die Zwangskürzungen Klage eingereicht, wodurch die Einführung der Kopfsteuer erheblich verzögert wird. Darüber hinaus rechnet die „Anti-Kopfsteuer -Vereinigung“ damit, daß sich bis zum Jahresende acht Millionen Menschen am Zahlungsboykott beteiligen werden.
Ihr Sprecher Steve Nally sagte, daß viele BritInnen gar keine andere Wahl haben, weil sie die Steuer nicht zahlen können. Ermäßigungen für die unteren Einkommensschichten, die zur Zeit in Erwägung gezogen werden, würden die Regierung im nächsten Jahr vier Milliarden Pfund (elf Milliarden Mark) kosten. Finanzminister John Major will deshalb den Rüstungshaushalt um eine Milliarde Pfund kürzen, was auf Thatchers Widerstand stößt.
Die Labour Party will ihr Konzept für die Finanzierung der Gemeinden nun erst im Sommer vorstellen. Bryan Gould, Umweltminister in Labours Schattenkabinett, deutete jedoch am Mittwoch an, daß die Labour Party die Kopfsteuer auf der Grundlage der Einkommensteuer festlegen will. Nach diesem Prinzip wären 22 Millionen Menschen steuerpflichtig - im Gegensatz zu 36 Millionen, die von den Tories zur Kasse gebeten werden.
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