: Scherf: Hochschule soll Öko-Brain-Trust werden
■ Neuer Wissensschaftssenator diskutierte erstmals mit Studenten / Gute Vorsätze für Zusammenarbeit beim ökologischen Umdenken
Als Ex-Wissenschaftssenator Horst Werner Franke noch mit StudentInnen redete, ging die Angelegenheit meistens so ab: Die StudentInnen durften kurz Dampf ablassen, während Franke ungerührt und amüsiert davorsaß, dann sagte der Senator seinen „Kerlchen“ mal eben wo's nach Maßgabe von leeren Kassen und Senatsbeschlüssen langgeht. Wie die Zeiten sich ändern: Dem Neu-Wissenschaftssenator Henning Scherf bescheinigte gestern ein Student: „Herr Scherf, Sie haben mir aus der Seele gesprochen!“
Pünktlich zum Ende der 100-Tage-Schonfrist für den Wissenschaftspolitik-Anfänger stellte sich Scherf gestern zum ersten Mal den StudentInnen der Hochschule Bremen. Wichtigste Botschaft des Franke-Nachfolgers: Der Stil und auch sonst soll
einiges anders werden. Statt auf Konfrontation, „bei der wir uns am Ende zähneknirschend gegenübersitzen und uns gegenseitig blockieren“ (Scherf), will der Neue ganz auf Kooperation und Dialog setzen. Inhaltlich will Scherf dafür sorgen, daß die Hochschule Bremen aufhört, „Schlachtplatte Bremer Politik“ (Hochschulrektor Roland Mönch) zu sein, und vom Stief-zum Wunschkind Bremer Wissenschaftspolitik aufsteigt: „Ich habe begriffen, daß es falsch ist, die bisherige Diskrepanz zwischen der finanziellen Förderung der Universität und der Hochschule weiter zu kultivieren. Im Niveau der Fachhochschulausbildung liegt ein Schlüssel für die Dynamik, die wir für Technologie-Projekte in Bremen brauchen.“
Eine niederschmetternde Bestandsaufnahme über den Zustand der Hochschule Bremen hatte Scherf sich zuvor von
Mönch anhören müssen: „Wir sind in den letzten Jahren, was unsere Labor- und Personalausstattung angeht, systematisch auf
Null heruntergewirtschaftet worden.“ So habe die Hochschule 1982 z.B. mit 260 Hochschullehrern für 3.000 StudentInnen angefangen. Inzwischen unterrichten 180 Professoren über 5.000 Stundenten.
Und die, so die Kritik der Studenten, bringen ihnen häufig auch noch das Falsche bei. Asta-Referent Thomas von Gilsa: „Als angehende Ingenieure erfahren wir hier nichts über technische Möglichkeiten der Rüstungskonversion, über Ökologische Technologien. Ein Labor für Wasserstoff-Technik steht bis heute nur auf dem Papier. Ich würde mich freuen, wenn es an dieser Hochschule irgendwo einen Behälter mit fünf Litern Waserstoff gäbe.“ Und ein Kommilitone ergänzend: „Stattdessen läuft hier ein Versuchs-Atomreaktor, als sei die Atomenergie immer noch der neuste Schrei. Wie man aber so ein Ding wieder stillegen kann, darüber lernen wir hier aber überhaupt nichts.“
Daß der Ausstieg aus der Atomenergie „nicht allein mit Kreuzen auf dem Stimmzettel“ zu bewerkstelligen sei, sondern außerdem technische Kompetenz im Umgang mit diesem „lebensgefährlichen Zeug, das wir uns
selbst eingebrockt haben“ gefragt ist, konnte auch Scherf unterschreiben. Für ihn stehen weltweit die Zeichen blendend für's Umdenken bei Rüstungs- Raumfahrt- und Energietechnik.
Wie sie ganz konkret in Bremen stehen, wollte - außer den StudentInnen - auch die Grüne Bildungspolitikerin Helga Trüpel von Scherf wissen. Trüpels Forderung: „Eine „wissenschaftspolitische Offensive, in der Bremen zu einem Zentrum dieses neuen Denkens wird.“
Für die allerdings will Scherf zumindest nicht allein die Verantwortung übernehmen. „Ich bin doch nicht der oberste Vorturner, der in Bremen die Entwicklung von Forschung und Lehre kontrolliert. Ich will mit vielen anderen konstruktiv mitarbeiten an diesem großen Projekt.“
Was er dazu im einzelnen tun kann, will Scherf bis zur Sommerpause klären. Dann soll der Senat absegnen, was er sich für die Hochschule ausgedacht hat. Und vor allem: Das nötige Geld für die nötigen Stellen und die nötigen Versuchslabors bewilligen. Die Studenten werden dann entscheiden müssen, ob Scherf ihnen auch aus der Seele gehandelt hat.
K.S.
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