: Die wahre Privatbank
■ Geld muß nicht auf der Bank vergammeln, man kann es auch selbst sinnvoll und ganz privat anlegen, auf daß es sich mehre. Ein paar Regeln sind dabei jedoch zu beachten, wenn man der Bank ein Schnippchen schlagen und selbst ein Schnäppchen machen will.
Von
GIOIA VENTURA
eld ist der große Verallgemeinerer, wie wir wissen, eine problematische Erfindung. Am Geld/Gold machen sich starke und widersprüchliche Gefühle fest und soviel Illusionen und Wahnideen wie an nichts sonst - „Liebe“ ausgenommen. Geld ist ein Tabu, wenn es noch eines gibt. (Wichtig, sich dies periodisch immer wieder klar zu machen, denn: es wirkt, dies alles, auch auf mich.)
Also: Meine Ersparnisse betragen zur Zeit rund 27.000 Mark. D-Mark siebenundzwanzigtausend. 27 TDM. Sie betrugen vor einigen Jahren sogar einmal 49 TDM. Zehntausend wurden mir von meinen Eltern „geschenkt“, wegen Erbschaftssteuer. Fünfzehntausend stammen noch aus einer Abfindung, die ich vor Jahren erhielt, als mein Arbeit-/Herausgeber mich nicht länger beschäftigen, aber nicht wollte, daß dies gerüchtsverwertbar werde; einiges habe ich - Steinbock-Frau
-echt gespart, eben auch durch das, was ich im folgenden schildere.
Mein erstes Geldgeschäft (fast) ohne Bankbeteiligung, tätigte ich mit einer unverheirateten Mutter. Selbst durch viel Scheiße gewatet, wollte die nachmalige Studienrätin für ihr - behindertes - Kind ein sicheres Heim schaffen, wenn es groß und sie tot sein würde. Ich also lieh ihr für den Kauf einer Eigentumswohnung die Summe von 25 TDM. Zum Zins von zwei Prozent über dem Diskontsatz. Vertraglich wurde eine „Sicherungshypothek“ an der Immobilie auf meinen Namen eingetragen. Luise schien mir immer etwas stinkig, daß ich ihr Zinsen berechnete. Aber sie überwies die 6-8 Prozent pro anno zuverlässig jedes Quartal; machte zwischen 375 und 500 D-Mark. Nach drei Jahren zahlte sie, wie vereinbart, das Kapital zurück. Einmal ärgerte sie sich mir gegenüber, daß „die Bank“ - ich glaube, es war sogar das „Beamten -Heimstättenwerk“ - ihr viel mehr an Zinsen und Gebühren abknöpfe als ich. Ich war froh, daß sich ihre Wut jetzt überwiegend gegen diese Bank richtete. Und ich sagte ihr: „Jetzt habe ich die 25 Tausend schon einem Künstler geliehen.“
Dieser Herr hatte mir zehn Prozent geboten, als er mich anpumpte - „nur für einen Monat“ - und, einige Monate lang, auch pünktlichst jeweils 200 DM an Zinsen gezahlt.
Es war mir so angenehm, von einem Kavalier alter (Kunst)Schule monatelang, und sogar im Voraus, zwei blaue Scheine zu bekommen. Auch wußte er sie so zu überreichen, daß ich glatt das Gefühl bekam, er schenke sie mir. Materiell gesonnen wie ich - Steinböckin-sei-Dank - bin, hatte ich mir aber, schon als seine Kreativität überzuschäumen begann, einige seiner Möbel und „Kunstgegenstände“ - vor einer Linksanwältin unseres gemeinsamen Bekanntenkreises - „sicherungsübereignen“ lassen.
Um es kurz zu machen: Mein Geld ist weg, und ich wohne seither in viel zu kostbaren Möbeln. Neben Ärger, Angst, Hohn und Herzeleid habe ich mir einen Verlust von gut acht Tausend DM eingehandelt. Aber es ist alles relativ: Meine Schwester verlor jetzt gerade das Doppelte, weil sie mit Aktien spekuliert hatte.
egel Nummer eins für private Zinsgeschäfte: Laß dich nicht anpumpen! Suche dir Projekte oder Frauen, denen du borgen willst, selbst aus. (Ich verleihe nur noch an Frauen oder frauendominierte Projekte, seit dem Künstlerpech. Habe mich auf einen praktischen Feminismus besonnen.)
Ich fragte also bei einer Frauen-Holzwerkstatt an, ob Bankkredite durch mich abgelöst werden könnten/sollten: Ich wolle als Zins das Mittel zwischen dem, was sie der Bank zahlen und dem, was mir die Bank an Zinsen zahle. Das Geld hätten sie schon gern gehabt, aber ohne Zinsen.
Eine Vollkornbäckerei hätte auch gern für 6,25 Prozent Zins aufs Jahr geborgt, lehnte aber entrüstet jede Sicherheitsleistung ab.
Ich kam mir schon wie eine Wucherin vor, als ich endlich den Schwestern von der Gärtnerei Stechapfel in Stockdorf bei F. begegnete. Eine solide Unternehmung, dazu „Lebensmittel“ produzierend und nicht irgendeinen überflüssig-schädlichen Scheiß. Sie zahlten gern den Mittelzins; auf fünf Jahre gab das genau 6,5 Prozent, bei zehntausend Mark also 162,50 DM im Vierteljahr. Das einzige, was mir nicht gefällt, ist ein kompliziertes, kombiniertes Rückzahlungsraten-Verfahren, wie es auch Banken bevorzugen. Die Schwestern aber haben einen Computer und wollen das so. (Vielleicht wollen sie auch/will ich auch, daß ich mir wie die böse Bank vorkommen soll.) Dieses Jahr soll der Restbetrag zurückgezahlt werden. Wenn sie nicht genug Salat verkaufen, bietet mir die im Dezember fällig werdende Lebensversicherung der einen Schwester Sicherheit.
egel Nummer zwei - würde ich sagen: Bestehe auf irgendeiner Sicherheit. Neben den genannten kommt in Frage: Bürgschaften oder Übereignung von Produktionsmitteln, Langzeitsparverträge u.ä., das heißt bei größeren Summen oder, wenn die Kreditnehmerinnen nicht „sozial greifbar“ sind - wie das meine Steuerberaterin nennt - konsultiert eine Anwältin! (Vertragskosten muß die Borgerin zahlen.)
Apropos Steuern: Ich erkläre meine privat eingenommenen Zinsen durchaus dem Finanzamt - zum Teil. Zum Teil deshalb, weil die völlige Offenlegung meiner privaten Geldgeschäfte mich an die Grenze zum gewerbsmäßigen Kreditgeben brächte. Und ich will keinen „Bockschein“.
Hier ist die Gelegenheit, meine grundsätzlichen Überlegungen zum Geldverleihen gegen Zinsen darzutun: Ich würde gern das Geld eindämmen und - siehe Artikel von Mathias Bröckers - viel mehr im Wege des Tauschens und Handelns mit Gütern und Dienstleistungen Geschäfte machen. Ideal fand ich, wie ich einmal von der Biowinzerei Vollrausch für einen Kleinkredit von 100 DM mir jeden Monat eine Flasche Gutedel als Zins abholen durfte. Aber das ging nicht lang.
Ich würde so gern sehen, daß Geld nur im Notfall einspringt, wenn ein Tausch auf keine Weise zustandekommen will.
Die Anzeigen-Zeitung „Zweite Hand“ in Berlin hat mit Tauschanzeigen angefangen: Repariere euer Auto gegen Englischunterricht. Oder: Kann nähen, wer bringt mir Gitarre bei? So etwas funktioniert nur in überschaubaren Communities, zwischen Leuten, die einander kennen können. Bis diese Utopie erreicht ist, wuchere ich - nach der Philosophie: Die Welt ist unrettbar aus den Fugen - mit meinem Pfunde in den Nischen. (Lukas 19, 12 ff.)
egel Nummer drei würde also lauten: Leihe nicht Fremden und nicht Freundinnen, leihe denen, die dazwischen liegen, Bekannten.
Derzeit weiß ich nicht einmal, wie hoch der Diskontsatz ist. Den Zinsfuß für meinen letzten Kredit von fünf TDM an eine Bildhauerin in Bologna haben wir beide errechnet, indem sie mir sagte, was die italienische Bank verlangt (14 %) und ich ihr, was ich für eine fünfjährige Anleihe erzielen könnte (6 %).
Gemittelt ergab das vierzehn plus sechs durch zwei, gleich: z e h n Prozent! Aber wir sind beide glücklich mit diesem Deal, ich wohne die Zinsen möglichst in ihrem italienischen Stadthäuschen ab. Wenn sie in meine Gegend kommt, kriege ich den besten Parmesan der ganzen Region Parma mitgebracht.
Das klingt alles so idyllisch? Ich mag ein bißchen schöngefärbt haben, weil ich lieber so mit meinen Ersparnissen umgehe als via Bank/Sparkasse. Der große Vor oder Nachteil ist, wie bekannt: Wenn's um Geld geht, lernst du die Leute kennen; das kann wie Leben selbst sein: Du triffst oft auf Schweinisches.
Eine sozial sehr erfinderische Freundin, der ich für eine wohltätige Einrichtung, die sie plante, eine vierstellige Leihsumme geradezu aufgedrängt hatte, rächte sich - heimlich - indem sie, für sich, alle mir gezahlten Zinsen aufaddierte und mir dann am Ende 1.500 DM Rückzahlung verweigerte: „Wenn du die Zinsen dazurechnest, habe ich dir alles auf Heller und Pfennig...“
Hier hatte ich gleich drei Fehler auf einmal gemacht: An eine Freundin geliehen, ohne Sicherheit und ohne, daß sie das Geld eigentlich wollte.
egel Nummer vier also: Dränge niemand Geld auf, weil du sein (geplantes) Projekt so toll findest. Und mache klar - der Partnerin und dir selbst! - daß du auf ein Geschäft aus bist. Was euch in erster Linie verbindet, ist Schadenfreude: Den Banken ein Schnippchen... Euch ein Schnäppchen.
P.S.: Und eine allgemeine Voraussetzung: Mobilität - Deine: Du mußt über einen großen und sich locker ändernden Bekanntenkreis verfügen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen