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„Ein bewaffneter Kampf ist für unsere Bewegung unsinnig“

■ Der armenische Nationalist Wasken Manukian zu den jüngsten Auseinandersetzungen in Armenien / Sowjetbehörden der Provokation beschuldigt

Telefoninterview mit dem Mathematiker Wasken Manukian, 44, Vertreter der „Armenischen Gesamtnationalen Bewegung“.

taz: Was geschah beim Überfall auf das Büro der Armenischen Gesamtnationalen Bewegung?

Manukian: Der Überfall hat sich in nur wenigen Minuten abgespielt. Am Montag morgen zwischen fünf und sechs Uhr hielt ein Militärlastwagen voller Soldaten vor dem Büro der Bewegung. Die Soldaten nahmen anschließend das Büro mit Maschinengewehren unter Beschuß. In dem Haus befanden sich um diese Zeit nur einige junge Frauen, die unseren Nachrichtendienst aufrecht erhielten. Sie gingen nach den ersten Schüssen hinter den Büromöbeln in Deckung und blieben so unversehrt. Sofort tot hingegen war ein junger Mann, der in einem Lastwagen vor dem Büro schlief. Sein Fahrzeug wurde von ungefähr sechzig Kugeln durchlöchert. Der junge Mann war aus Aserbaidschan über Berg-Karabach zu uns gekommen und hatte den ganzen Tag mit uns diskutiert. Nachts hatte er dann nicht gewußt, wo er bleiben sollte.

Gibt es für diesen Vorfall Zeugen?

Der einzige Zeuge war ein Mann, der in den frühen Morgenstunden seinen Hund ausführte. Er sah einen Offizier aus dem Militärlastwagen aussteigen. Dieser gab der Mannschaft in russischer Sprache leise das Kommando abzuspringen. Anschließend lief er auf die andere Seite des Hauses, von wo aus er dann den ersten Schuß abgab. Die Uniformen konnte der Zeuge leider nicht detailliert beschreiben. Er bezeichnete sie als „sehr grün“.

Welche Absicht kann hinter dem Überfall stecken?

Er geschah gerade in einem Moment, in dem wir uns dringend eine Stabilisierung der Lage wünschten. Ein bewaffneter Kampf ist für unsere Bewegung unsinnig. Unsere Chancen für die jetzt fälligen Nachwahlen in einigen armenischen Bezirken standen gut. Wir haben auf allen Meetings die Menschen aufgerufen, jegliche Gewaltanwendung zu unterlassen. Sie erinnern sich noch alle an die Wahlen vor anderthalb Jahren, als wir in Moskau in Haft saßen und der über Armenien ver

hängte Ausnahmezustand eine ernsthafte Abstimmung unmöglich machte. Angesichts der friedlichen Situation in Eriwan haben wir uns sehr gewundert, als am 26.Mai der Oberkommandeur der Truppen des Innenministeriums der UdSSR, General Schatalin, ferner der stellvertretende Innenminister der UdSSR, Schilo, und der Führer einer Abteilung der Gegenspionage der UdSSR in unserer Stadt eintrafen. Wir hätten sie eher in Tbilissi erwartet, weil man dort wegen des georgischen Unabhängigkeitstages Unruhen für möglich hielt.

Was taten die drei Herren in Eriwan?

Sie bestellten uns zu einem Gespräch, das dann sehr konstruktiv wurde. Sie wollten von uns wissen, welche Vorschläge wir zur Befriedung der Lage in Armenien einbringen könnten. Wir hatten dazu eine ganze Menge zu sagen. Am selben Abend wurde aber dann eine Erklärung General Schatalins über Rundfunk und Fernsehen verbreitet, in der er die Lage in Eriwan als gefährlich und explosiv bezeichnete. Das war eine offene Provokation, ebenso wie die am gleichen Tage ausgestrahlte Ausgabe der gesamtsowjetischen Nachrichtensendung „Wremja“, in der es sinngemäß hieß, die „Armeenische Gesamtnationale Bewegung“ rufe die Bevölkerung zu den Waffen. Wir sind danach zu unseren Gesprächspartnern gegangen und haben ihnen deutlich gemacht, daß man mit solchen Meldungen tatsächlich eine Destabilisierung der Lage erreichen kann.

Meinen Sie, daß diese Informationspolitik zu den mehr als 20 Todesfällen beigetragen hat, zu denen es am nächsten Tag gekommen ist?

Ich kann es nicht ausschließen.

Wie ist die Lage jetzt?

Heute Nacht gab es Gerüchte, daß um das Militärcamp vor der Stadt eine Schießerei entbrannnt sei. Unsere Kundschafter haben festgestellt, daß die Soldaten innerhalb des Lagers in die Luft feuerten. Offenbar wollte man den Eindruck erwecken, daß schon an allen Ecken und Enden der Stadt geschossen wird. Die Provokationen gehen jetzt weiter.

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