: Abfuhr für repressive Aids-Politik
■ Nach dreijährigem Hauen und Stechen legt die Aids-Enquete-Kommission des Bundestages endlich ihren Abschlußbericht vor / Mehrheitsentscheidung zugunsten der liberalen Linie
Bonn (ap/taz) - Der Kampf gegen Aids soll nach Ansicht der Enquete-Kommission des Bundestages ohne Zwangsmaßnahmen, ohne Massentests und ohne Meldepflicht geführt werden. Die Mehrheit der Kommission lehnte es in ihrem am Dienstag in Bonn vorgelegten Bericht auch ab, die HIV-Infektion in das Gesetz über Geschlechtskrankheiten aufzunehmen. Nach dreijährigen Beratungen der Kommission, bei denen es mit den von der CSU nominierten Mitgliedern teilweise zu einem heftigen Hauen und Stechen kam, liegt der Abschlußbericht endlich vor.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Margit Conrad sagte, die Kommission habe „der bayerischen Linie der Aids-Politik in allen wesentlichen Punkten eine Abfuhr erteilt“. Die SPD begrüße es ausdrücklich, daß die Enquete-Kommission sich mehrheitlich auch für die Einführung einer Schweigepflicht und eines Zeugnisverweigerungsrechts für Mitarbeiter in Aids -Beratungsstellen ausgesprochen habe.
Der SPD-Abgeordnete Achim Großmann forderte, daß die nach dreijährigen Beratungen vorgelegten Empfehlungen der Kommission vom Parlament rasch in die Praxis umgesetzt werden. Unabhängig davon müsse die Bundesregierung die Aids -Prävention intensivieren. Die Regierung solle dabei den HIV -Test nicht mit Prävention verwechseln.
Die Abgeordnete Conrad bezeichnte die vom Bundesgesundheitsministerium angegebene geschätzte Zahl von 100.000 HIV-Infizierten in der Bundesrepublik als übertrieben. 39.500 positive Tests seien erfaßt, die Zahl der Infizierten dürfte demnach eher bei 60.000 liegen.
Der Bundesverband Homosexualität begrüßte, daß die Aids -Enquete-Kommission „die liberale Linie“ unterstütze. „Das ist nicht viel, aber besser als nichts“, erklärte Vorstandsmitglied Volker Beck. Für den Verband forderte er die Unterstützung der Präventionsarbeit in der DDR. Auf die dortige Situation sowie das Aids-Problem in osteuropäischen Ländern gehe der Bericht nicht ein. Beck warnte vor einer Kriminalisierung des Drogengebrauchs und vor einer Abschiebung von Infizierten und Kranken in Länder ohne ausreichende Versorgung.
Die Grünen hoben hervor, daß es der Kommission mit viel Einsatz gelungen sei, „die liberale Linie der Bundesregierung gegen Bayern abzusichern“. Sie kritisierten ebenfalls, daß über Aids in der DDR geschwiegen werde.
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