: Denken als Straftat
■ Özal-Foto macht türkischen Barbesitzer zum Staatsfeind
Bodrum (taz) - Die türkische Lesart von Demokratie treibt immer seltsamere Blüten.
Bei „Routinekontrollen“ der Bodrumer Polizei wurde unter anderem ein Foto des türkischen Staatspräsidenten Turgut Özal nebst seiner Frau Semrah beanstandet. Der Besitzer der „Old Hamam Bar“, Ahmet Filmer, hatte das Foto, daß die beiden bei der höchst umstrittenen Pilgerfahrt 1988 in Mekka zeigt, mit der Aufschrift „Kein Kommentar“ versehen. Grund genug für die Staatsanwaltschaft, um Ahmet Filmer wegen „Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten in Abwesenheit“ anzuklagen.
Filmer, Vorstandsmitglied der türkischen Yesiller Partisi (Grüne Partei), nahm die kuriose Angelegenheit zuerst nicht sonderlich ernst, bis ihm schließlich die Ausstellung eines Reisepasses für die Fahrt nach Wien, wo er an einem Kongreß teilnehmen wollte, „wegen des gegen ihn laufenden Verfahrens“ verweigert wurde. Aufgrund der Schwere seines Vergehens (!) droht Ahmet Filmer nun überdies nach Paragraph 158 des türkischen Strafgesetzbuches eine Gefängnisstrafe zwischen drei und sechs Jahren.
Der mittlerweile auf alles gefaßte Filmer kommentierte das beängstigende Schauspiel folgendermaßen: „Wir sind in einem Zustand, in dem bereits Denken und die Aufforderung dazu als Schuld angesehen wird.“ Eine durch zwischenzeitlich erfolgte Presseberichte informierte Öffentlichkeit verfolgt gespannt den Prozeß, der am 27. Juni dieses Jahres beginnen soll.
Aufschluß dürfte das Urteil unter anderem auch darüber geben, wie weit das einstige türkische Staatsideal des Laizismus - der konsequenten Trennung von Staat und Religion - bereits zurückgedrängt worden ist.
cem
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