Deng persönlich gab das Leitbild vor...

■ betr.: "Dieses Fleckchen gelber Erde..."

Deng persönlich gab das Feindbild vor: Eine konterrevolutionäre Clique habe versucht, die sozialistische Ordnung abzuschaffen und eine „vollkommen verwestlichte bourgeoise Republik“ zu schaffen.

Auf der Suche nach einem Feind, der diesem Bild entsprach, stieß man auf die im Sommer 1988 ausgestrahlte Fernsehserie „Heshang“ (etwa: „Der vorzeitige Tod des Gelben Flusses“). Der Autor Su Xiaokang stand nach dem 4.Juni 1989 auf der Fahndungsliste der chinesischen Polizei, konnte aber ins Ausland flüchten. Heute ist er Vorstandsmitglied der „Föderation für ein demokratisches China“ in Paris.

Dieser Film bot der Parteipropaganda alles, was sie brauchte: Er interpretierte die chinesische Geschichte neu und vergriff sich dabei an allen Glaubenssätzen der offiziellen Geschichtsschreibung; er kritisierte China und lobte den Westen; er war von Zhao Ziyang gefördert worden Zhao hatte 500 Kopien des Films anfertigen lassen, um sie an ausländische Besucher zu verteilen; und schließlich hatten seine Autoren die demonstrierenden Studenten aktiv unterstützt. Die gleichen Zeitungen, die die Serie zuvor als wegweisendes Experiment gelobt hatten, kritisierten sie jetzt mit pflichtschuldiger Empörung.

Den mit viel Pathos vorgetragenen Text haben die Autoren anscheinend frei assoziierend - mit Bildern aus den Archiven des chinesischen Fernsehens versehen. Landschaften, historische Aufnahmen und Spielfilmszenen folgen aufeinander, die Schnitte sind meist nur einige Sekunden lang. Auch der Text ist nicht leicht zu verdauen: Die Argumentation ist sprunghaft; von den Pyramiden bis zur Klimakatastrophe, von Plato bis Plechanow bleibt nichts unerwähnt.

In China löste der Film heftige Diskussionen aus, es wurden „Heshang-Wochen“ veranstaltet, der Filmtext wurde zum Bestseller. „Heshang“ hatte ein Tabu gebrochen: Zum ersten Mal wurde die Frage, warum Reformansätze in China immer wieder scheitern, öffentlich gestellt. Die Antworten, die der Film gibt, stehen im Widerspruch zu allen offiziellen Dogmen. Die komplette Übersetzung des Textes und eine synchronisierte Videofassung des Films werden vom Projekttutorium „Heshang“ der FU Berlin demnächst veröffentlicht. Jacob Eyfert