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„Letztlich soll die PDS liquidiert und verboten werden“

PDS-Vorsitzender Gregor Gysi zu den Konsequenzen des Volkskammerbeschlusses: Der CDU nimmt man ein Häuschen, uns wird alles abgenommen  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Gysi, Milliarden oder Millionen, auf jeden Fall ist das Geld futsch. Ist damit die PDS am Ende?

Gregor Gysi: Erstens weiß ich nicht, ob das Geld futsch ist, und zweitens glaube ich nicht, daß die Partei damit am Ende ist. Aber ich bin davon überzeugt, daß die Kräfte, die dahinter stecken, daran arbeiten, die Partei ihrem Ende entgegenzuführen. Letztlich geht es ihnen darum, zu versuchen, eine linke Partei zu liquidieren und zu verbieten.

Die Enteignungsforderung stand lange im Raum, ohne daß die PDS von sich aus besonderes Licht in ihre Eigentumsverhältnisse gebracht hätte.

Ist doch nicht wahr, wir haben alles nach unseren Möglichkeiten getan und uns auch an alle gesetzlichen Verpflichtungen gehalten. Bis zum 30. Juni sollten wir unsere Vermögensverhältnisse gegenüber der Volkskammerpräsidentin offenbaren. Das wäre auch geschehen. Sobald wir von selbst einen gewissen Überblick hatten, haben wir ohne Rechtspflicht entschieden, die Mehrheit des Geldes abzugeben und die große Mehrheit der Parteibetriebe in Volkseigentum zu überführen, wie auch anderen Objekte. Gleichwohl sollte die Lebensfähigkeit der Partei erhalten bleiben.

Die einzigen von der PDS Anfang Februar veröffentlichten Zahlen stehen in der „Finanzrechnung 1989“...

Das stimmt nicht.

...in der weder das Gesamtguthaben erwähnt noch die Eigentumsverhältnisse aufgeschlüsselt sind. Darin ist die Rede von fünf Mrd. Mark an Umlaufmitteln.

(Lacht) Das ist ein Witz. Da müssen Sie vom Bundesnachrichtendienst falsch informiert worden sein.

Der BND vermeidet es gewöhnlich, die taz auf dem laufenden zu halten. Wir beziehen uns auf Informationen aus dem PDS -Apparat.

Wir hatten nie einen Umlaufmittelfonds von fünf Milliarden. Ich sage noch mal, wir haben mehr abgegeben als behalten. Das muß Ihnen doch genügen.

Nennen Sie doch mal eine absolute Zahl.

Ich denke gar nicht daran. Vielleicht vergegenwärtigen Sie sich auch mal, daß diese Partei hohe Ausgaben hatte, nicht allein wegen der Gelder für die 34.000 ausgeschiedenen Mitarbeiter, sondern auch wegen bestehender Verträge für Investitionen bei abgegebenen Betrieben und Immobilien.

3,041 Milliarden hat die PDS abgegeben. Was blieb?

Das war die komplette Parteireserve.

Es gibt immer wieder Gerüchte über Auslandsgeschäfte, die die PDS über Betriebe abwickelt.

Es gibt Gerüchte über SED-Auslandsvermögen. Für jedes Auslandsvermögen der SED, das Sie mir anschleppen, bekommen Sie eine Prämie. Die SED ist zum Teil wie eine illegale Partei betrieben worden. Es gibt keine Unterlagen über deren Auslandsaktivitäten.

Angesichts der Tatsache, daß die PDS Geldgeschäfte nur noch mit Zustimmung einer Regierungskommission tätigen kann - wie geht's weiter?

Die anderen Parteien werden ein Häuschen abgeben müssen, bei uns wird es fast alles sein. Ärgerlich daran ist ja, daß die Regierung die offene und juristische Auseinandersetzung scheut. Sie hätten doch ein Verfassungsgericht installieren und uns verklagen können. Aber man will im vereinigten Deutschland keine linke, sozialistische Partei. Ich hätte ja nichts gegen eine parlamentarische Untersuchungskommission. Ich bin nur gegen die Regierungskommission und die unbefristete treuhänderische Verwaltung des Parteivermögens. Das bedeutet, daß wir bei jedem Plakat den Treuhänder fragen müssen, ob wir die 200 Mark für das Plakat ausgeben dürfen. Daß die Plakate von der CDU genehmigt werden, dafür wird schon gesorgt werden.

Sie haben immer unterschieden zwischen rechtmäßig und unrechtmäßig erworbenem Eigentum der SED. Die Volkskammer nicht. Was bedeutet das?

Man will im nachhinein bestimmen, was rechtmäßig und was unrechtmäßig ist, wenn man das überhaupt bestimmen will. Ich weiß nicht, welche Kriterien dazu herangezogen werden könnten, vielleicht das Gefühl der Regierungskommission. Wenn sie das geltende Recht von damals nicht gelten lassen, was soll man da nehmen, außer dem Gefühl? Vielleicht das gesunde Volksempfinden?

Halten Sie den Beschluß für verfassungskonform und rechtsstaatlich?

Nein, aber wen interessiert hier noch die Verfassung. Die alte wird nicht akzeptiert, eine neue nicht angenommen. Die Gewaltenteilung ist aufgehoben, die Exekutive macht sich zur Justiz: Die können beschlagnahmen, durchsuchen und haben alle strafprozessualen Rechte. Selbst früher stand das nur der Staatsanwaltschaft und Polizei, nicht einer Regierungskommission zu.

Warum, glauben Sie, hat das Bündnis 90 der Enteignungsforderung keinen vehementen Widerstand entgegengesetzt?

Vielleicht glauben die, es sei noch eine Art von Gerechtigkeit herzustellen. Das halte ich für eine Illusion. Der Druck ist doch von der SPD-West gekommen; die haben es zur Bedingung für die Zustimmung zum Staatsvertrag erhoben. Auf den Schutz der DDR-Betriebe wollte Kohl sich nicht einlassen, wohl aber auf unsere Liquidation. Man will ein Zeichen setzen für das künftige Großdeutschland. Eine sozialistische Partei darf darin keinen Platz finden.

Besteht nicht ein Zusammenhang zwischen mangelnder Glaubwürdigkeit und stockendem Erneuerungsprozeß der PDS?

Man kann eine Partei auch überfordern. Wir sollen uns erneuern, ein neues Programm entwickeln, sollen uns Einordnen in die europäische Linke und dazu zwei Wahlkämpfe gegen die Gesamtheit der bundesdeutschen Parteien führen.

Die Aufgaben haben Sie sich selbst gestellt.

Richtig, angesichts des Drucks und der knappen Zeit haben wir das ganz ordentlich bewältigt, finde ich. wir haben ja schon selber festgestellt, daß wir den Erneuerungsprozeß viel intensiver betreiben wollen...

...mit einem Apparat, der vierzig Jahre Stalinismus auf dem Buckel hat?

Nee, der ist eben nicht mehr derselbe. Von 44.000 Leuten sind 34.000 entlassen. Von den 10.000 sind nicht wenige neue Mitarbeiter eingestellt. Die Zahl werden wir vielleicht noch einmal um mehrere tausend Personen reduzieren. Aber das Ganze müssen wir auch sozial verträglich gestalten. Ich sehe noch niemanden, der uns die damit verbundenen Kosten abnehmen will.

Sie haben in der Volkskammer angekündigt, deren Beschluß nicht hinzunehmen. Was wird die PDS tun?

Zunächst versuchen wir, eine große Kundgebung für Sonnabend zu organisieren. Am gleichen Tag werden alle Vorstände der Partei und die Fraktion auf einer Sondersitzung die weitere Politik beraten. Es gibt Zeichen internationaler Solidarität.

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