: Ein Denkmal dem Erfinder des Rollrasens
■ Die Geschichte eines Spiels: Von Schlenzern und Innenrist-Hebern, Eck-Bällen und bösen Verletzungen
Wenn ich behaupte, der Stuttgarter Apotheken-Möbelhersteller Carl Mayer sei ein wichtiger Mann, der Erfinder des Rollrasens, werden einige denken: Was soll's. Wer ist schon dieser Carl Mayer? Ich sage, ihm gehört ein Denkmal gesetzt. Er ist nämlich gleichzeitig der Erfinder des 14flächigen Balles.
Vielleicht werden jetzt die Ersten hellhörig. Schreibe ich nun etwas von acht Zentimeter hohen Spielfiguren mit durch Knopfdruck zu bewegendem Schußbein und zur Seite hechtendem Torwart, werden viele klarer sehen. Immerhin schuf dieser Mann mit seiner Idee eine Freizeitbeschäftigung für Hundertausende: das Tipp-Kick.
1934 erwarb Edwin Mieg die Erfindung Mayers, brachte sie zur Leipziger Messe und führte sie dort erstmals auf Treppenabsätzen - einen Stand konnte sich nicht leisten der Öffentlichkeit vor. Ein kapitalistisches Märchen, vom Tellerwäscher zum Millionär. Ganz so dramatisch war es zwar nicht. Doch von da an ging es Schlag auf Schlag.
Bereits 1938 konnten einige Hildesheimer dem Hang der Deutschen zur Vereinsmeierei nicht widerstehen und gründeten den ersten Club. Heute gibt es in der Bundesrepublik einen DTFV mit Präsidium und um die 180 angeschlossenen Vereinen mit über 1.000 Aktiven, die sich um Pokal- oder Meisterschaftsehren in vier verschiedenen Spielklassen streiten.
Tipp-Kick wird von zwei bis vier Personen gespielt. Je nach Spielausstattung gibt es verschieden große Spielfelder. Jeder Teilnehmer hat einen Torwart und einen Feldspieler. Der Ball besteht aus einem weißen und einem schwarzem Feld. Jeweils die obenliegende Farbe entscheidet, wer schießen darf. Die Regeln entsprechen weitgehend dem richtigen Fußballspiel. Gespielt wird zweimal fünf Minuten ohne Pause.
Was wir als Kinder bei den Spielern mittels Feilen am Schußbein verbesserten hat mittlerweile auch die Firma Mieg aufgegriffen. Es gibt Kicker mit verschiedenen Fußstellungen, so daß die raffiniertesten Schüsse möglich werden. Neben dem traditionellen Normal-Kicker können die Fans den Top-Kicker erwerben. Bei ihm wurde die Fußspitze angefeilt, um bessere Hochschüsse und sogar Schlenzer zu ermöglichen. Für Filigrantechniker wurde der Star-Kicker entwickelt. Seine gefühlvollen Innenristheber werden zum Alptraum eines jeden Torwarts.
Bei soviel Innovation durfte natürlich auch der Torwart nicht verschont bleiben. Der Star-Keeper kann seit einiger Zeit nicht mehr nur zur Seite, sondern auch nach vorne hechten.
Bleibt noch ein etwas dunkleres Kapitel des Spieles anzusprechen, den Durchstecher oder Eisenfinger (ferrum fingerus) und das Kratzauge (oculus defticus). Dem Kratzauge, eine Verletzung der Linse, die durch Gewaltschüsse am Tor vorbei ins Auge des Gegenspielers hervorgerufen wird, haben die Hersteller bereits Rechnung getragen indem sie ein Stadion mit Bande auf dem Markt brachten.
Gegen den Durchstecher - der Zeigefinger wird nach Abspringen des Druckknopfes in die Eisennadel gerammt -, hervorgerufen durch exzessives Spielen, sei trotz ständiger Materialverbesserungen, so bedauern die Hersteller, noch kein Kraut gewachsen.
Peter Huth/al
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