piwik no script img

England setzt weiter auf „Abschreckung“

Britische Atomwaffen bleiben von den Kürzungen des Rüstungsetats verschont / Hauptsächlich Personal betroffen  ■  Aus London Ralf Sotscheck

Zum ersten Mal seit Amtsübernahme der britischen Premierministerin Thatcher wird der Wehretat gekürzt. Verteidigungsminister King gab am Montag zu Beginn der zweitägigen Unterhausdebatte über „Verteidigung“ bekannt, daß die Inflationsrate von knapp zehn Prozent zu diesem Schritt zwinge. Insgesamt sollen 600 Millionen Pfund (1,72 Milliarden Mark) gestrichen werden. Das sind drei Prozent des Rüstungshaushalts in Höhe von 21,1 Milliarden Pfund.

Genaue Einzelheiten will King zwar erst nach der Sommerpause bekanntgeben, doch er bestätigte, daß vor allem die Rheinarmee von den Kürzungen betroffen sei: „Wenn unsere stationierten Kräfte kleiner werden, müssen sie über Mobilität, Flexibilität und ausgeglichene Schlagkraft verfügen. Aber sie brauchen nicht die derzeitige Infrastruktur.“ Der Verteidigungsminister gab außerdem bekannt, daß die Verträge für die letzten 50 von insgesamt 390 Tornado-Kampfflugzeugen vorübergehend auf Eis gelegt werden. Verschiedene Tory- Abgeordnete fürchten um ihre Sitze, da die Kürzungen keine „Friedensdividende“ seien, sondern Arbeitsplätze vernichten würden.

Die Haushaltskürzungen weisen jedoch keineswegs auf ein Abrücken von der britischen „Abschreckungspolitik“ hin. King betonte, daß der Warschauer Pakt zwar praktisch nicht mehr existiere, doch die Sowjetunion „rüstet nach wie vor auf“. Deshalb könne Großbritannien auf unabhängige Atomwaffen und „sub-strategische nukleare Fähigkeiten“ nicht verzichten. Dazu gehören die Polaris- und Trident-Raketen sowie „die damit auszurüstenden Fregatten, U-Boote und Minensuchboote“. Thatchers Lieblingsprojekt, die „taktische Luft-Boden -Rakete“ (TASM) mit großer Reichweite und Zielgenauigkeit, ist von den Kürzungen ebensowenig betroffen wie das britisch -italienische Kampfhubschrauber-Projekt mit dem Codenamen „Merlin“. Die britische Marine erhält 50 EH 101 -Hubschrauber, die mit 40 Millionen Pfund pro Stück doppelt so teuer wie ein Tornado sind. Merlin hinkt bereits drei Jahre hinter dem Zeitplan her. Dennoch soll nun auch eine Version des EH 101 für die Armee entwickelt werden.

King deutete an, daß die Kürzungen etwas Luft für Neuinvestitionen und -einstellungen in anderen militärischen Bereichen schaffen werden. Martin O'Neill, Verteidigungsminister im Labour-Schattenkabinett, machte die Regierung für ein „Sinken der Moral bei den Streitkräften“ wegen der Unklarheiten bei den Kürzungen verantwortlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen