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Mordkommission im Altenheim

Mysteriöse Todesfälle im Nürnberger „Haus Frankenland“ / Städtische Heimaufsicht blieb untätig  ■  Aus Nürnberg Bernd Siegler

Wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung in mehreren Fällen ermittelt jetzt die Mordkommission gegen den Leiter des Nürnberger Altenheimes „Haus Frankenland“, Gerd Fink.

Ende April war eine 75jährige Bewohnerin des 240 -Bettenheimes gestorben. Sie soll ein falsches Medikament erhalten haben. Zur gleichen Zeit war ein 70jähriger Insasse an Austrocknung gestorben, weil er zu wenig zu trinken bekommen hatte.

Zwei Wochen später hatte sich ein 66jähriger Mann bei einem Fenstersturz schwer verletzt. Und nach Verabreichung eines Medikaments, das Atemdepressionen verursachen kann, war schließlich Anfang Juni ein Bewohner gestorben.

Inzwischen hat der Nürnberger SPD-Oberbürgermeister Schönlein angeordnet, daß gegen den Heimleiter des „Hauses Frankenlands“ das Verfahren zum Entzug der Betriebserlaubnis eingeleitet wird.

Seit Monaten sorgt das private Altenheim für Schlagzeilen. Bewohner, Pflegekräfte und Ärzte hatten immer wieder schwerwiegende Vorwürfe gegen den Heimleiter erhoben. Danach arbeitet dort zu wenig und vor allem unqualifiziertes Personal, die Ausstattung der Zimmer entspreche nicht dem Heimgesetz, und notwendige medizinische Maßnahmen sowie Diätkost seien aus Sparsamkeitsgründen unterblieben. Schon im Februar hatten fünf Pflegekräfte zu Protokoll gegeben, daß „eine Versorgung der Bewohner, wie es das Gesetz und die Menschlichkeit vorschreiben, in diesem Haus nicht mehr gewährleistet“ sei. Die Heimleitung reagierte auf diese Kritik mit fristlosen Kündigungen.

Obwohl eine Vielzahl von HeimbewohnerInnen und vier im Heim tätige Ärzte diese Vorwürfe konkretisierten, blieb das als Heimaufsicht zuständige Ordnungsamt der Stadt Nürnberg untätig. Amtschef Hubertus Nerlich sprach von „nicht beweisbaren Einzelfällen“, es gebe „keine Grundlage zum Eingreifen“. Zu der Zeit ermittelte bereits die Staatsanwaltschaft unter anderem wegen fahrlässiger Tötung, Betrug und Unterschlagung. Noch am Dienstag erklärte allerdings Nerlich, daß man von einer Rücknahme der Betriebserlaubnis noch weit entfernt sei.

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