In SO36 zählt das Auftreten

■ Gutachten über Kreuzberg 36 von STERN vorgestellt / 80 Prozent der Bewohner wohnten schon vor der Sanierung in ihren Häusern / Sanierungsverfahren dauert zu lange

West-Berlin. Ein Gutachten zur Bevölkerungsstruktur in Kreuzberg 36 nach der öffentlich geförderten Sanierung legte die Stadterneuerungsgesellschaft STERN gestern im Rahmen einer Fachkonferenz im ICC vor. Das Fazit: Durch die behutsame Stadterneuerung sei die Bevölkerungsstruktur in SO36 weitgehend erhalten worden. 80 Prozent der Bewohner von modernisierten Häusern kommen aus SO36. Das liegt nach Einschätzung der STERN daran, daß die Mieten mit fünf Mark pro Quadratmeter im Durchschnitt unter den in Berlin üblichen Mieten für modernisierte Wohnungen liegen. Denn der größte Teil der Bewohner hat ein geringes Einkommen, überdurchschnittlich viele der Mieter, die schon vor der Sanierung in den Häusern wohnten, sind Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, aber auch ausländische Arbeitnehmer, die gut die Hälfte der sanierten Wohnungen belegen.

Anders sieht es in den Wohnungen aus, in die erst nach der Modernisierung neue Mieter eingezogen sind. Dort wohnt ein überdurchschnittlich hoher Anteil von Studenten. Daß zeige, so die STERN, daß weiterhin bestimmte Gruppen große Schwierigkeiten haben, Wohnungen zu bekommen, beispielsweise Punks oder Jugendliche ohne Arbeit und Ausbildungsplatz. Ausschlaggebend dafür sei offenbar nicht die Zahlungsfähigkeit der Wohnungsbewerber, sondern das Auftreten.

Hintergrund des Gutachtens ist die oft geäußerte Kritik an der behutsamen Stadterneuerung, daß die alteingesessenen Mieter vertreibe. Allerdings dürfte die öffentlich geförderte Stadterneuerung zumindest in SO36 durch die künftige Senatspolitik der Mittelstreichung und -umverteilung in andere Bezirke demnächst keine große Rolle mehr spielen. Kritik äußerte die STERN daran, daß das Sanierungsverfahren generell zu lange dauere. Zwischen Bewilligung und Abschluß der Bauarbeiten liegen bis zu sechs, im Schnitt drei bis vier Jahre. Bauarbeiten in der Wohnung dauerten oft zwei Jahre. Und später treten schon nach wenigen Jahren wieder gravierende Mängel auf, wie Schimmel und Feuchtigkeit.

esch