Die beste aller Welten

Salonfähiges Geplauder gebildeter Menschen über die multikulturelle Gesellschaft  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Sie waren zu viert, und sie waren sich einig, einig, einig. „Naja, bei der Zweistaatlichkeit vielleicht nicht?“ mutmaßte Daniel Cohn-Bendit fast hoffnungsvoll. „Wieso? Warum denn nicht?“ fragte Heiner Geißler baß erstaunt zurück. Wenn es nach den Diskutanten gegangen wäre bei der Veranstaltung der Initiative „Frankfurter Kulturpolitik“ am Montag abend in der Frankfurter Mouson-Fabrik, dann wäre die BRD die liberalste, humanste und multikulturellste Gesellschaft überhaupt. „Wir sind ein Einwanderungsland“, blickte Geißler (CDU) der Realität ins Auge. Nur seine Partei wolle das nicht einsehen. Burkhard Hirsch (FDP) wiederum hinderte der Koalitionszwang beim Handlungsbedarf. Peter Glotz (SPD) war sowieso dafür, aber der ist in der Opposition.

Kommunalwahlrecht für Ausländer? Aber ja doch, sofort und auf der Stelle und besser noch gleich die kompletten Bürgerrechte, beeilten sich Geißler, Glotz und Hirsch unisono zu versichern. Cohn-Bendit hatte bei so vielen offenen Türen einen schweren Stand. Auch über die Neudefinition der genuinen deutschen StaatsbürgerIn gab es keine Zweifel. Sie soll nur, versicherte Geißler, „die Universalität der Menschenrechte anerkennen“, sich „zu dieser Republik bekennen“ und „hier leben wollen“. So einfach ist das. Warum, rätselte bei soviel parteiübergreifender Übereinstimmung ein Emigrant im Foyer, warum nur unterscheidet sich die gesetzgebende Realität so auffällig von diesen salonfähigen Willensbekundungen?

Zum Glück gibt es auf alle Fragen Antworten, auch solche, die in anderen Zusammenhängen ein wenig aus der Mode gekommen sind. Peter Glotz, sonst ganz postmoderner Technokrat seiner Partei, erinnerte sich der Arbeiterklasse, die zwar „in den Bergwerken“ schaffe, politisch aber keine Stimme habe. Von Klassengesellschaft war die Rede, von Dreiklassenwahlrecht, von Kolonialismus und Imperialismus in der Dritten Welt. Und vom Feminismus. Den hatte Heiner Geißler für sich gepachtet. Er wolle den „Kulturimperialismus“ verhindern, erklärte er heldenhaft, der schließlich dergestalt ausbrechen könne, daß zum Beispiel „ein Moslem in Bottrop einen Harem aufmacht“.

Da mußte Cohn-Bendit, insgesamt sichtlich irritiert durch die locker konkurrierende Flapsigkeit des CDU-Spontis, einfach mithalten. Er löste den von Geißler aus Frankreich importierten Streit um den Shador staatsfern: „Ich will, daß die Mädchen im Shador in die Schule reingehen und in Jeans wieder rauskommen.“ Geißler parierte mit einem Bekenntnis: „Ich glaube an die Aufklärung!“