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Das große Fressen verlief ungestört

Im Hamburger Hafenviertel speiste das Big Business / Großes Polizeiaufgebot schützte die TeilnehmerInnen des Weltkongresses der Internationalen Handelskammer / Nur ein paar geballte Fäuste und „Mörder„-Rufe störten das Idyll  ■  Aus Hamburg Florian Marten

Historische Kutter dümpeln am Kai, die eindrucksvolle Backsteinwelt des Hamburger Fischmarkts liegt in abendmilder, sommerlicher Schwüle. Gläserklirren und gedämpftes Lachen wehen von der festlichen Gesellschaft in der alten Fischauktionshalle herüber, die von der DKP bis zur Handelskammer gern zu eindrucksvollen Feten genutzt wird. Das Pflaster rings um die Halle ist nicht aufgerissen. Mehrere hochgerüstete grüne Hundertschaften lümmeln lässig im weiten Sperrkreis um die Halle. An den Absperrungen stehen noch kleine Grüppchen junger Leute, die zum Fest hinüberschauen.

Die linken und alternativen Gruppen in Hamburgs lebendigen Stadtteilen zwischen City und Fischmarkt hatten sich diesen Dienstag abend etwas anders vorgestellt. Dem „großen Fressen“ der Kapitalisten, dem von Daimler-Benz gesponserten Dinner für die über 2.000 TeilnehmerInnen des 30. Weltkongresses der Internationalen Handelskammer, sollte kräftig in die Suppe gespuckt werden.

In Stockholm sorgte 1984 eine Flugshow der schwedischen Luftwaffe für den nachhaltigsten Eindruck, worauf sich Indien 1987 mit einer prachtvollen Elefantenparade in den Köpfen der Kongreßteilnehmer verewigte. Diesmal wollte sich der Hamburger Widerstand ein Zeichen setzen.

Der Versuch mißlang. Bis auf eine Busfahrt auf Umwegen zum Hafen, einige geballte Fäuste und „Mörder, Mörder„-Rufe blieb das Big Business mit Protest verschont. Einigen machte die Busfahrt im Polizeikonvoi mit Blaulicht sogar richtig Spaß. Nur die massive Anwesenheit der Polizei macht deutlich, daß es im Umfeld des Dinners mehr als nur „etwas dichteren Verkehr“ (Polizeichef Dirk Reimers) gegeben haben mußte. „Terroristen?“ fragte der distinguierte Engländer. „Ja“, bestätigte schlicht die Hamburger Unternehmerin.

Die Fete selbst entpuppte sich als ziemlich biedere Abspeisung der oberen Zweitausend - mit peinlich aufdringlicher Präsenz von Daimler-Benz. Das ging vom Spielzeugmercedes als Tischkärtchen bis zum allgegenwärtigen Stern. Allein die stimmungsvolle und störungsfreie Umgebung kam gut an.

Zur gleichen Zeit genossen nur wenige Steinwürfe entfernt auf den Treppen zum Hafen die BewohnerInnen der Hafenstraße die laue Sommernacht - völlig ungestört von aufdringlichen Kapitalistenblicken.

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