Verliebt in die Gurkentruppe

■ betr.: "Dreifachstopper und Doppelplatzverweis", "Sieg" und "Heil" nach dem Glückssieg", taz vom 26.6.90

betr.: „Dreifachstopper und Doppelplatzverweis“, “'Sieg‘ und 'Heil‘ nach dem Glückssieg“,

taz vom 26.6.90

Holländische Fußball-Nationalspieler sind ganz lieb. Unschuldige Opfer von Kamikaze-Angriffen eines zornigen Rudi Völler. taz-LeserInnen und -Schreiber (!) wissen eben mehr. Torwart van Breukelen wurde „mit brutalem Vorsatz angesprungen“. Wie entsetzlich. Wo hatte ich nur meine Augen? Und die von Frank Rijkard gespendete doppelte Schleimladung als „Vorwäsche“ zu bezeichnen... Wirklich originell. Da blitzt doch journalistische Formulierungskunst auf. Wegen der chauvinistischen Eskapaden der „Fans“ in Herzogenrath und Kerkrade spielt doch die Franzl-Elf rückwirkend nicht brutaler! (...)

Gerd Walther, Berlin

Meistens macht ja die flotte Schreibe der Herren Sportreporter Spaß. (...)

Jetzt zur Fußball-WM fällt mir auf, daß Matti und seine Freunde krampfhaft an dem vertrauten hämischen Bild der westdeutschen Mannschaft festhalten. Sie scheinen richtig verliebt zu sein in „Beckenbauers Gurkentruppe“. Das Nationalgebrüll der 'Bild‘ ist wohl ziemlich peinlich, doch schreiben die ja nur, was die Leute lesen wollen.

Das gleiche läuft vielleicht auf der taz-Sportseite ab. Der taz-Normalleser zieht sich sicher genüßlich die Fußballberichte aus dem Dritte-Welt-Laden rein und als Kontrastprogramm Geschichten über die dumpfe, deutsche Panzertruppe aus lauter kleinkarrierten Holzhackern, politisch auch noch rechtslastig. Ihr strickt mit an dem Bild, daß Spieler wie van Breukelen und Rijkaard mit ihrem haßgeprägten Spiel im Achtelfinale irgendwie recht haben.

Wenn nach aufregenden Spielen der deutschen Mannschaft, die man stolz am Fernseher miterlebt hat, am nächsten Tag alles von angeödeten taz-Sportreportern zerpflückt wird, das kann einem richtig den Spaß verderben. Und das wollt Ihr doch nicht, oder?

Christian Blume, Rosche

Das Elend der Dogmatiker ist, daß sie ihr Weltbild, das starr und unverrückbar ist, auch den anderen aufzwingen wollen. Ihr Weltbild, das Sie in Ihrem Bericht deutlich kundtun, ist jenes, daß die Deutschen nur Fußball spielen, um den verlorengegangenen Zweiten Weltkrieg nun doch im nachhinein zu gewinnen, und daß alle Holländer nur Fußball spielen, um die deutschen Soldaten endgültig aus den Niederlanden zu vertreiben - 50 Jahre danach.

Werter Herr Müllender, die Welt ist komplizierter, als Sie denken, und Gottseidank stimmt Ihr starres Weltbild so nicht. Das Ganze würde auch niemanden interessieren außer Sie selbst, wenn Sie nicht in einem Massenmedium und deshalb einflußreich diese Gedanken verbreiten würden und somit kräftig und aktiv an einer Legende einer „Erbfeindschaft“ mitstricken, die dann möglicherweise irgendwann mobilisierbar wäre. Sie sind also nicht nur ein bornierter (was ausschließlich Ihr Problem wäre), sondern auch ein sehr verantwortungsloser Mensch, da Sie in Ihrer Funktion als Journalist Vorurteile gesellschaftsfähig machen. (...)

Jochen Tholen, Bremen