piwik no script img

Die Zeichen stehen auf Beitritt vor der Wahl

■ Gesamtdeutsche Wahlen mit gemeinsamer Fünf-Prozent-Hürde werden immer wahrscheinlicher DSU, PDS und Bündnis 90 hätten dann keine Chance / Auch die Grünen werden langsam nervös

Aus Bonn Tina Stadlmayer

Die Vorsitzenden der Regierungskoalition Kohl, Waigel und Lambsdorff wollen sich heute über den Fahrplan zur gesamtdeutschen Wahl einigen. Strittig war in den vergangenen Wochen, ob in der DDR und der Bundesrepublik nach zwei verschiedenen Gesetzen gewählt werden soll.

In der CDU mehren sich jetzt die Stimmen für einen Beitritt der DDR nun doch schon vor der Wahl. Damit wäre klar, daß nach gemeinsamem Recht gewählt würde. Bei einer solchen Abstimmung hätten allerdings DSU, PDS und Bündnis 90 keine Chance, ins Parlament zu kommen. Noch vor einigen Tagen hatte CDU-Innenminister Schäuble vorgeschlagen, in der DDR solle getrennt gewählt werden und die Fünf-Prozent-Hürde jeweils getrennt gelten. Nach dieser Variante hätten DSU und PDS gute Chancen reinzukommen, das Bündnis 90 wäre weg vom Fenster.

Die Unionschristen wollten die SED-Nachfolgerin PDS unbedingt im Parlament haben: Sie sollte der SPD wichtige Stimmen wegschnappen. Inzwischen haben CDUler jedoch ausgerechnet, daß sie die Mehrheit auch ohne die PDS als Stimmenfresser schaffen. Und auf die DSU als Koalitionspartner sind sie nach den Austritten von Diestel und Ebeling sowieso nicht mehr scharf.

Heribert Scharrenbroich, CDU-Bundestagsabgeordneter, machte gestern Druck: „Wir müssen die DDR-Regierung davon überzeugen, daß ein einheitliches Wahlrecht der bessere Weg ist“, forderte er im 'Kölner Express‘. Auch die regierungstreue 'Faz‘ warnte die Union leitartikelnd davor, „die logische Abfolge des Vereinigungsprozesses umzukehren“.

Vor allem aber der kleine Koalitionspartner FDP übt Druck auf die CDU aus. Auf keinen Fall, so ein Präsidiumsmitglied, würden die Liberalen beim heutigen Koalitionsgespräch von ihrer Forderung „gemeinsames Wahlrecht und Beitritt vor der Wahl“ abrücken. Eine „Rettungsaktion für die DSU, die ohnehin zerfällt“ (Otto Graf Lambsdorff), werde man nicht mitmachen.

Die SPD sieht sich in ihrer alten Forderung nach der Fünf -Prozent-Klausel und dem gemeinsamen Wahlrecht bestätigt. Auf ihrer Sitzung am Montag waren sich die Präsiden einig, daß der Beitritt der DDR am besten „kurz vor der Wahl“ erfolge. Das gemeinsame Wahlrecht müsse nicht erst im Staatsvertrag geregelt, sondern bereits im August in einer Vereinbarung mit der DDR festgeschrieben werden.

Die Grünen bleiben bei der ganzen Diskussion wieder einmal auf der Strecke. Im Bundestagsausschuß zur deutschen Vereinigung werden sie heute vergeblich gegen jede Sperrklausel votieren. Ihre Forderung nach einer gemeinsamen Verfassung vor dem Zusammenschluß unterstützt inzwischen kein einziger Sozialdemokrat mehr. Bei gesamtdeutschen Wahlen könnte es für die Grünen knapp werden. Da die DDR -Ökos höchstens drei Prozent schaffen, müßten die West -Grünen mindesten sieben Prozent erreichen - Joschka Fischer beschleicht bereits „ein saumulmiges Gefühl“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen