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Explosion bei DDR-Waldschäden

■ DDR-Behörden hielten Erkenntnisse über dramatischen Anstieg des Baumsterbens unter Verschluß / Mehr als die Hälfte der Wälder ist krank

Von Rüdiger Rosenthal

Ost-Berlin (taz) - In der Öffentlichkeit brüsteten sich die Waldverantwortlichen der Vor-Wendezeit mit der Züchtung „rauchgasresistenter Baumsorten“. Die eigenen Berichte über die Explosion der Waldschäden in der DDR jedoch hielten sie konsequent unter Verschluß. Intern allerdings wurden von den Spezialisten die Ergebnisse ausgewertet, das DDR-Territorium in Schadzonen eingeteilt und sogar Sondermaßnahmen und -pflanzungen angeordnet.

Seit zwanzig Jahren beobachtete der Volkseigene Betrieb Forstprojektierung in Potsdam die Immissionsschäden im DDR -deutschen Wald. Insbesondere der Bericht „Ökologische Waldzustandskontrolle/Vitalitätsaufnahmen 1986-1989“, der der taz vorliegt, belegt die dramatische Entwicklung der vergangenen Jahre. Danach waren 1989 mehr als die Hälfte des DDR-Waldbestandes geschädigt - eine Steigerung um fast zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die Forstfachleute analysierten den Waldzustand auf mehr als 2.000 Probeflächen mit Monokulturen aus Kiefern, Fichten, Buchen und Eichen im Alter von 40 bis 80 (Nadelbäume) beziehungsweise 40 bis 120 Jahren (Laubbäume). Bewertet wurden Nadel- und Laubverlust, die Zahl der Nadeljahrgänge, Blattverfärbungen und die allgemeine Vitalität der Baumpatienten.

Die höchsten Zuwachsraten registrierten die Waldforscher in einer fünfstufigen Skala bei den leichten und mittleren Schäden. Regional am schwersten betroffen sind - wenig überraschend - die ökologischen Krisenregionen um Halle und Leipzig und die Hochlagen des Erzgebirges.

Auch östlich Berlins nehmen die Schäden auffällig stark zu. In nördlicher Richtung reichen die Walderkrankungen inzwischen bis Mecklenburg/Vorpommern. Die stärksten Schäden wurden an Kiefern ermittelt, gefolgt von Fichten, Buchen und Eichen, wobei die Laubbäume die höchsten Schadenszuwächse aufweisen. Das letzte Ergebnis korreliert mit neueren Beobachtungen, die auch in der Bundesrepublik gemacht wurden.

Noch 1986 sah alles viel besser aus: Als stark geschädigt wurden lediglich die Waldgebiete in den Bezirken Cottbus und Leipzig eingestuft. Geringere Schäden fand man in Teilen des Erzgebirges. Drei Jahre später kränkelte praktisch aber schon der gesamte Bestand des Mittelgebirges, im Cottbusser und Leipziger Raum hatten sich die Schäden inzwischen sogar verdreifacht. Schadensverdoppelungen registrierten die Waldbeobachter auch im Thüringer Wald, im Harz, in Sachsen -Anhalt, Mecklenburg und an der Ostseeküste.

Wegen der vorherrschenden Westwinde ist zu vermuten, daß Emissionen aus dem Zonenrandgebiet der Bundesrepublik (Stichwort: Buschhaus) die Schäden im Harz, in Sachsen -Anhalt und in Brandeburg verstärkt haben.

Im Süden gelten die veralteten und ineffektiven realsozialistischen Braunkohlekraftwerke und die tschechisch -böhmischen Industrieregionen als die Hauptverursacher. Ohne Zweifel haben jedoch auch der Zweitakt-Kfz-Verkehr und der Brennstoffverbrauch der privaten Haushalte einen wesentlichen Anteil an dem Wald-Desaster.

Sieben Millionen Tonnen Schwefeldioxid (in der Bundesrepublik: zwei Millionen) und über zwei Millionen Tonnen der verschiedenen Stäube (BRD: 0,6 Millionen) werden allein auf DDR-Territorium emittiert.

Schwierigkeiten bereitet allerdings noch der Vergleich der jetzt bekanntgewordenen DDR-Waldschadensberichte mit den entsprechenden Studien im Ausland. Ursache ist, daß die Be und Auswertungsmodalitäten nicht übereinstimmen. In den Waldschadensberichten dieses Jahres soll bereits eine gemeinsame Meßlatte angelegt werden.

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