: Neulich beim Dreh
■ Radio Bremen dreht „Second Hand“ / Lieschen Kohlhase durfte zukucken
Studio 2, 1/die erste:
Also - ich war da neulich mal hinter den Kulissen von so einem Fernsehspiel, also bei den Dreharbeiten. Sie, das stellt man sich ja ganz anders vor. Und ich mein‘, ich steh‘ ja eigentlich nicht auf die Jutta Speidel - nee, nich die von den „Guldenburgs“, das war die Susanne Uhlen. Also die hierhin bitte
die
Karikatur
Jutta Speidel, die sieht ganz anders aus als im Fernsehen, irgendwie spillerig und kuckt immer wie beleidigt, vielleicht, weil ich sie gar nichts gefragt hab‘. Ehrlich: Mir ist echt nix eingefallen, was ich die hätte fragen können. Später dann doch, ob ihr die Rolle gefällt und so, aber sie hat gesagt, ihr gefallen eh‘ alle Rollen, also hätt‘ ich mir das schenken können. Jedenfalls spielt die jetzt mit bei der neuesten Radio Bremen Produktion, die heißt „Second
Hand“ und da geht's darum, daß zu dem zeitgemäßen Anspruch auf bedingungslose Selbstverwirklichung auch die Entscheidung gehört, ob es vorteilhafter ist, ein Kind in die Welt zu setzen oder besser nicht, und das als Komödie mit zwei Pärchen, wo nachher alles drunter und drüber geht. Danke, Lieschen, das war doch schon mal was. Können wir das jetzt etwas objektiver haben? Fang‘ doch nochmal an und stell dir vor, daß die Leute gar nicht wissen, wo du warst, okay? Bitte:
Studio 2, 1/die zweite:
Also neulich
Lieschen, noch eins, könntest du die Zeitangabe nicht etwas konkretisieren? Das ist jetzt nur so ein Vorschlag, aber wir kriegen dann den Anschluß an die nächste Aussage verständnismäßig besser hin. Und bitte:
Studio 2, 1/die dritte:
Also in der Nacht von Montag auf Dienstag war ich bei einem Nachtdrehtermin von Radio Bremen im Studio 2 draußen beim Fernsehen. Studio klingt ja jetzt etwas klein, das ist aber ziemlich groß, so 'ne Art Riesen-Garage mit mordshohen Holzwänden, wo dahinter die Wohnung aufgebaut worden ist für die Jutta Speidel,
und dadrüber hängt ein Himmel voller Lampen mit Nummern. Und überall stehen immer Leute, die sind total wichtig. Und die wissen auch alle, was sie tun, bloß ich nicht. Ich weiß bloß, man muß gute Beine haben, wegen dem in den Bauch stehen. Und ein gutes Sicherheitsgefühl wegen der vielen Kabel und Scheinwerfer. Und ein gutes Gefühl dafür, wann man stört. Und immer passiert nichts, aber immer verändern alle irgendwas.
Ja, danke, Lieschen, das geht vielleicht für den Anfang. Das lassen wir mal so. Können wir jetzt die Zeilen haben, die von den Spielszenen handeln? Okay? Bitte:
Studio 2, 2/die erste:
Also ich
Lieschen, entschuldige, aber wir haben uns überlegt, daß wir die Zeilen jetzt doch nicht haben wollen, weil der Platz drängt. Wir machen jetzt weiter mit Gröpelingen. Paß auf: Du bist jetzt beim zweiten Nachtdreh in dem türkischen Imbiß und stellst dir vor, daß die Leute, die das hier lesen, noch nie in Gröpelingen waren. Wir beginnen an der Stelle, wo Jutta Speidel mit dem weißen Kübelwagen vor dem Imbiß vorfährt. Und bitte:
Lindenhofstraße 44a, 1/die erste:
Also die Lindenhof
Lieschen, würde es dir schwerfallen, mal ohne „also“ anzufangen? Und bitte:
Moment noch. Ich find‘ das jetzt ziemlich schwierig, so mittendrin anzufangen. Vielleicht sollte ich erstmal was schreiben über die Lindenhofstraße, daß es da ziemlich viele Probleme gibt und daß es da zwischen Deutschen und Ausländern oft ziemlich hoch her geht, drogen-und alkimäßig und so, und daß die Jutta Speidel in ihrem Kübelwagen da ziemlich nicht hinpaßt.
Lieschen, im Prinzip wunderbar, aber uns interessiert hier jetzt doch mehr der Handlungsablauf. Bitte:
Lindenhofstraße 44a, 1/die zweite:
Also beim zweiten Nachtdreh mitten in Gröpelingen ist echt was los. Zuerst muß der Stab den Drehort mit Flatterband und vielen vielen Produktionshelferlein gegen Passanten sichern und die Beleuchter sitzen irgendwo zwischen Himmel und Erde und fummeln an den Scheinwerfern rum, weil die die Laternen spielen. Im Imbiß gibt's unter anderem Probleme wegen der Lichterkette im Schaufenster, ob die jetzt eher nach Weihnachten aussieht oder nach Wirklichkeit und Großstadt. Jutta Speidel fährt immer mal wieder mit dem Kübelwagen vor, aber keiner dreht, dafür geht das Volk mit. Herr W. findet unheiter angeheitert, man könnte hier besser einen Tatort drehen statt was Witzigem, Mörder und Opfer gäb's ja reichlich, aber jetzt kommt die Einstellung
Lieschen, gar nicht übel, aber das „reichlich“ klingt jetzt doch ziemlich streng.
... kommt die Einstellung „Zweite Hauptdarstellerin wartet im Imbiß und kuckt nach draußen“. Und alle kucken zurück.
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