: Vorindustrielle Pornographie
■ „Mondo Weirdo“ von Carl Andersen
Iwas a teenage Zabbadoing and the incredible lusty dust whip from outer space vonquers the earth versus the 3 psychedelic stooges of Dr. Fun Helsing and fighting against surf -vampires and sex-nazis and have trouble with this endless titilation hieß der letzte Film von Carl Andersen, „Mitte 30“, Österreich. In diesem Jahr tourt er mit Mondo Weirdo . A Trip To Paranoia City durch die Gegend. In seiner seltsamen Welt geht es 60 Minuten lang um „distorted sexuality“, um „dreams full of beauty and destruction“, um die Geschichte eines „15jährigen Mädchens“, das bei Rockmusikers zu Hause konfrontiert wird mit dem „bizarren Sex“ zweier Lesben, sexuell verstört danach nicht mehr essen, nicht mehr trinken, nicht mehr schlafen kann, in eine Traumwelt versinkt, bis sie ein zweites Mal - frei nach Freud - den verruchten Ort aufsucht und durch ihr Mittun das Trauma erledigt.
Am Anfang steht die schöne Odile, sozusagen die jungfräuliche Namensform von Prousts Odette, unter der Dusche. Ihr Blick fällt aufs Menstruationsblut - frei nach Brian de Palmas Carrie -, das plötzlich langsam dem Abfluß entgegenfließt und sie in seltsame Sexphantasien führt, die sich überschneiden, ergänzen, verlieren, verwirren, bis sie wieder da ist, wo sie hergekommen war. Nachdem sie das Trauma im Traum erledigt hat. Im Unterschied zu den anderen Protagonistinnen trägt sie weißes Unterzeug.
Mit schwarzem Bubihaarschnitt und Mantel zieht es sie durch Straßen und Räume. In ihren Verstörungen sieht sie Sex und Gewalt; vor allem sehr viele Rasiermesser, mit denen unmotiviert die Kehlen armer Mitmenschen in seltsamen Liebesräuschen durchschnitten, mit denen nackte Männer und Frauen gezeichnet werden, mit denen ein Schwanz abgeschnitten wird. Manchmal hängt eine Sichel vom Baum, manchmal haut eine Axt in den Baumstumpf. Sehr expressionistisch in Schwarzweiß gefilmt, ein bißchen ironisch, erinnert der Film an Polanskis Ekel, ohne den Anspruch zu haben, innere Wirklichkeiten zwischen Sexabscheu und der Wiederkehr des Verdrängten bloßlegen zu wollen.
Es gibt durchgehend Rockmusik, dafür kaum Text, eigentlich nur drei oder vier Sätze, und die sind fast grandios. Da sind zwei Männer mit ihrem Auto liegengeblieben, gehen auf ein einsames Haus zu und klingeln. Eine Frau, Gräfin Barthory, das weibliche Pendant zu de Sade, erscheint, und es entwickelt sich folgender Dialog: „Wir haben nämlich eine Autopanne, und unser Auto ist nun endgültig im Arsch. Und darum wollten wir eine Werkstatt anrufen, damit es wieder in Gang kommt.“ - Die Frau an der Tür bittet beide herein. „Das finden wir sehr nett.“ - Sie bietet ihnen an, bei ihr zu übernachten. - „Auch das finden wir wieder nett.“ Schlimme Dinge passieren dort und anderswo.
Hinter Toilettentüren sitzen onanierende Männer oder Frauen. Odile wendet sich ab. Unter der Tür greift eine Hand nach ihr. Jemand spielt Saxophon, vor allem gibt's Oralsex: unzählige Küsse, sehr viele Mösenleckszenen, eine „klassische“ Pornoschwanzlutschszene (sie kniet vor ihm und blickt auch noch kurz neckisch hoch), zwei sonstige Fellationierungen; das Blut gemordeter Sexpartner wird begeistert geleckt. Es gibt eine ordentliche Erektion (damit haben die Laienschauspieler Probleme), 1 Ejakulation, 1 Präserverkehr, 2 Penetrationen in Großaufnahme, 1 Kastration und einmal Schwulensex. Ist das böse?
Industrielle Pornographie will sich als Bild zwischen dich und dein eigenes sexuelles Handeln schieben. Ihren Erfolg verdankt sie dem Verzicht auf alles, was den „normalen“ Mann irritieren könnte. Die gängigen Filme haben ihre Tabus und ihre „musts“: Es darf keine homosexuellen Szenen geben, jede Öffnung muß zumindest einmal penetriert werden, die Frau muß ganz doll stöhnen, viel Sperma muß in den Raum, nie in den Körper spritzen usw. Auch der ambitionierte Underground -Porno, ein Genre, das zumindest im deutschsprachigen Raum etwas unterrepräsentiert ist, will direkt zu dir sprechen. Manchmal tut er das auch, und es entstehen sehr obsessivdepressive, kranke, gute Filme wie Lydia Lunchs Fingered; Filme, die als Alpträume ihrer Vermischung mit eigener Realität widerstehen; und manchmal entsteht eben ein Film wie Mondo Weirdo, der gerade durch seine Brechungen, durch seinen ironischen Zitatcharakter - ob beabsichtigt oder nicht, ist ziemlich egal - Spaß macht. In die Brechungen oder Pausen fallen eigene Gedanken, Vermutungen, Interpretationen, und man weiß eigentlich nicht, ob man nun den Film gut findet, weil er zu einer befriedigenden Interpretation geführt hat, oder ob man sich an der eigenen Interpretation freut.
Und die geht so: Die früheste Befriedigung, die Milch, brachte dem Säugling zugleich Befriedigung und Sicherheit. Die genitale Phase der Kindheit folgte erst auf die orale Phase. Die Psychoanalyse weist nach, „daß der Mund häufig dann als Genitalersatz genommen wird, wenn die genitale Betätigung durch Kastrationsideen gehemmt ist. Bei der Fellatio wird das dadurch deutlich, daß die Analyse sie als Äquivalent (bzw. Verleugnung) der Abbeißphantasie nachweist...“, schreibt der Psychoanalytiker Otto Fenichel. Diesen Zusammenhang nun zwischen infantilem Begehren, Oralität und Kastrationsphantasien scheint mir der Regisseur aufs trefflichste dargestellt zu haben. Gespannt darf man darauf sein, wie der Film bei unseren Brüdern und Schwestern im Osten ankommt. Der Regisseur wird bei einigen Veranstaltungen dabeisein.
Detlef Kuhlbrodt
Mondo Weirdo, Sa., 21. Juli um 22 Uhr in der „Brotfabrik“, Heinersdorfer Straße 58, Berlin 1120; So., 22. und So., 29. Juli um 22 Uhr in der „Rumbar“, Baumschulenstraße 28, Berlin 1195; Mo., 23. und Di., 24. Juli um 21 Uhr im Filmclub International, Karl Marx Allee 33 (Seiteneingang!), Berlin 1026.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen