: 20. Juli 1944 - gescheiterte Tat
■ Über leuchtende Beispiele und die Tradition der deutschen Geschichte
Hätten sie doch geschwiegen! Auch dem 20.Juli wird das Schicksal so vieler Gedenktage nicht erspart, schamlos für die Alltagspolitik ausgebeutet zu werden. Dem Westberliner Bürgermeister Walter Momper war der Tag für einen Hinweis auf zunehmenden Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit gut; Berlin, so erklärte der Geschichtslehrer Momper an den Gedenkstätte in der Stauffenbergstraße, eigne sich mit seinen Höhen und Tiefen ... als deutsche Hauptstadt.
Geradezu unverfroren nutzte der DDR-Verteidigungsminister und Pfarrer Rainer Eppelmann das Datum, um die Nationale Volksarmee in die Tradition der demokratischen Volksbewegung der DDR zu mogeln. Mit demokratischer Tradition hat diese Armee dabei höchstens soviel zu tun, daß sie nichts getan hat im Oktober 1989. Diese Armee hat seit 1961 als Grenztruppe getaugt, die NVA ist 1968 mit einem blauen Auge vom direkten Einsatz gegen den Prager Frühling davongekommen. Während mit großer Mehrheit die Bevölkerung der DDR die Aufgabe der Staatlichkeit wollte und bei den ersten freien Wahlen im März entsprechend votierte, läßt der Pazifist Eppelmann seine lustlosen Soldaten schwören, sie werden sich fortan „zum Schutz der deutschen Demokratischen Republik einsetzen“ - das Stück ist bühnenreif.
Da hat der Bundeskanzler Kohl schon eher einen Faden der Wahrheit erwischt, wenn er daran erinnert, daß die konservativen Militärs des 20. Juli sich für „Freiheit und Einheit“ ihres Vaterlandes einsetzten. Aber schon die Worte vom „Widerstand“ und von dem „leuchtenden Beispiel ihres unbeugsames Freiheitswillens“, das uns gegeben sei, machen einen Mythos aus den Männern des 20.Juli.
Ihr Attentat ist gescheitert, die Deutschen haben sich nicht selbst vom Nationalsozialismus befreit. Widerstand und leuchtendes Beispiel des Freiheitswillens waren es auch nicht, die das SED-Regime in sich zusammenfallen ließ. Darin scheint ein Faden deutscher Geschichte zu liegen.
Klaus Wolschner
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