Genf: GATT-Runde bleibt kantig

■ Dritte Welt kritisiert Verhandlungen hinter verschlossenen Türen / Einziges Ergebnis: Neuer Zeitplan

Aus Genf Andreas Zumach

Mit scharfer Kritik der Dritte-Welt-Länder am Verhalten der westlichen Industriestaaten und einem Fahrplan für die weiteren Verhandlungen bis Anfang Dezember als einzigem konkreten Ergebnis endeten gestern in Genf vorzeitig die Beratungen des Ausschusses für Handelsfragen (TNC) des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT).

Im Namen der Dritte-Welt-Länder unter den 105 an den Beratungen teilnehmenden Staaten äußerte der brasilianische Botschafter Ruben Ricupero in einer Rede vor dem Plenum „Frustration und Enttäuschung über den Mangel an substantiellen Ergebnissen“. Dafür seien „nicht die Entwicklungsländer verantwortlich“, sondern „der fehlende politische Wille“ auf seiten der Hauptindustriestaaten, „wichtige Probleme in den zentralen Verhandlungsthemen“, namentlich Landwirtschaft und Textilien ernsthaft anzugehen.

Die Länder der Dritten Welt, von denen erwartet wird, daß sie ihre Märkte voll den Technologie- und Dienstleitungsexporten der Industrieländer öffnen, bestehen auf einem Abbau der Importschranken für ihre Agrar- und Textilprodukte. EG-Delegationschef Hugo Paemen wies den Vorwurf der Dritte-Welt-Staaten zurück, die EG stehe nicht mehr zu ihrer Zusage, rechtzeitig Übergangsregelungen für die Zeit nach Auslaufen des vierten Welttextilabkommens Mitte nächsten Jahres zu vereinbaren. Ricupero forderte für künftige Verhandlungen „Transparenz“ sowie die „Möglichkeit zur Beteiligung aller“ an wichtigen Beratungen. Vereinbarungen, die von einigen wenigen Industriestaaten ausgehandelt würden, ließen sich die Entwicklungsländer „nicht aufzwingen“.

In Erwartung substantieller Verhandlungen waren zahlreiche Drittwelt-Staaten mit großen Delegationen in Genf erschienen, um feststellen zu müssen, daß die Industriestaaten wichtige Themen entweder exklusiv hinter verschlossenen Türen diskutierten oder sich bereits vorab auf eine Verschiebung der Verhandlung auf den Herbst verständigt hatten.

Unter Verhandlungsführung von Gatt-Generaldirektor Dunkel verständigten sich die 105 Delegationen lediglich auf einen Zeitplan bis zum Gatt-Ministertreffen Anfang Dezember in Brüssel, bei dem die nun schon dreieinhalb Jahre dauernde achte Welthandelsrunde (Uruguay-Runde) offiziell mit einem Abkommen besiegelt werden soll: ab 8.Oktober bis Anfang Dezember soll ein permanent in Genf tagender, politisch hochkarätig besetzter Ausschuß versuchen, die noch offenen Probleme zu lösen. Bis 15. Oktober müssen alle Vorschläge bezüglich des Zugangs zu internationalen Märkten beim Gatt -Sekretariat eingereicht sein. Ab 23. November soll Gatt -Generaldirektor Dunkel mit den Leitern der Arbeitsgruppen zu den 15 Einzelthemen die Abschlußdokumente für das Brüsseler Ministertreffen ausarbeiten. Bereits ab 27. August wollen vor allem USA und EG ihre am letzten Montag vertagten Bemühungen um eine Beilegung ihrer Differenzen über Agrarsubventionen wiederaufnehmen. Darauf, daß dieser ehrgeizige Plan bis Anfang Dezember zum erwünschten Ergebnis führen werde, wollte gestern in Genf keiner der Beteiligten eine Wette abschließen.