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Wer rüstet schneller ab?

■ Zur bundesrepublikanischen Kritik am Tempo der Abrüstung der NVA

Das Tempo, mit dem in der DDR Abrüstung praktisch betrieben wird, ist atemberaubend. Die Produktion von Rüstungsgütern wird innerhalb von einem Jahr etwa halbiert, die aktive Truppe wird drastisch reduziert, die Bestellung von Rüstungsgütern wird eingeschränkt. Dies ist der Hintergrund der aktuellen Debatte um die Beschaffungsaufträge der NVA. Diese Debatte ist notwendig, denn öffentlicher Druck wird seine Wirkung nicht verfehlen. Natürlich ist es die Steuerkasse der Bundesrepublik, auf der jede überflüssige Ausgabe lastet. Schon das Argument, bei einer Stornierung von Aufträgen würden hohe Ausgleichszahlungen entstehen, muß vom Tisch. Wenn 240 Millionen Stornierungsgebühren für ein bestelltes, 340 Millionen DM teures Raketenschiff fällig werden, dann sind zudem die Verschrottungskosten gespart. Das könnte auch dem gewendeten Pazifisten Eppelmann einleuchten. Wirklich interessant wird die Debatte, wenn das andere Militärzeugs, das aus bundesdeutschen Steuergeldern bezahlt wird, in den Blick kommt. Das Bonner Verteidigungsministerium hat 1990 im laufenden Haushalt 10,9 Milliarden Westmark für Beschaffung angesetzt. Im Regierungsentwurf für 1991 stehen 10,3 Milliarden. Nicht berücksichtigt sind in diesem Titel zum Beispiel 3,45 Milliarden Forschungs- und Entwicklungsmittel, also etwa die Kosten des Jäger 90. „So verschleudert die DDR-Regierung unser Geld“, titelte 'Bild‘. Ein wenig hilflos versuchen auch die Bonner Presseerklärungs-Politiker die Überwindung der militärischen Konfrontation in Europa auf die Frage nach dem NVA-Kriegszeug zu beschränken. Aber je mehr Tempo sie gegenüber dem DDR-Abrüstungsministerium machen, desto mehr wird sich als Problem aufdrängen, daß die Nato und das Bonner Verteidigungsministerium nicht mitgehalten haben. Schon übt, wenn auch erst gegenüber der NVA, der Hobby -Flieger und BRD-Bildungsminister Möllemann alte Friedensbewegungs-Parolen: „In der Rüstung sind sie fix...“

Klaus Wolschner

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