: Wieviel PENs braucht das Land?
■ Die Frage, ob die beiden deutschen PEN-Zentren sich vereinigen sollen, ist nach wie vor offen. Zensoren und Zensierte der DDR säßen damit in einem Verein. Es äußern sich Stephan Hermlin (Vizepräsident des internationalen PEN), Hanns Werner Schwarze (Generalsekretär des bundesdeutschen PEN) und Fritz Beer (Präsident des PEN deutschsprachiger Autoren im Ausland).
Intellektuelle im deutsch-deutschen Streit
Die Frage, in welcher Form sich die beiden deutschen PEN -Zentren in Zukunft zueinander verhalten sollen Vereinigung oder Koexistenz -, beschäftigt seit Mai diesen Jahres die Gemüter. In der taz von Dienstag verwahrte sich der Präsident des BRD-PEN, Carl Amery, gegen eine umstandslose Vereinigung, der Generalsekretär Hanns Werner Schwarze im heutigen Interview aber auch gegen „Spruchkammerverfahren“ zur Prüfung einzelner Mitglieder mit unschöner Vergangenheit.
Das Problem stellt sich, daß in einem gemeinsamen deutschen PEN-Zentrum ausgewiesene und zensierte ehemalige DDR -Schriftsteller mit ihren Zensoren zusammensäßen - zum Beispiel mit dem früheren stellvertretenden Kulturminister Klaus Höpcke oder auch mit Hermann Kant, der als Vorsitzender des Schriftstellerverbandes der DDR den Ausschluß von Kollegen mitverantwortet.
In der gestrigen Ausgabe der 'FAZ‘ wehren sich Carola Stern und Gerd Heidenreich, beide Präsidiumsmitglieder des bundesdeutschen PEN, gegen die Darstellung, der bundesdeutsche PEN habe eine sang- und klanglose Vereinigung mit dem DDR-PEN überhaupt erwogen und die Autoren (vgl. taz vom 31.7.) nur zur Klärung von Verfahrensfragen geladen. In seltener Eintracht plädieren alle Beteiligten für eine Koexistenz „auf absehbare Zeit“ (s. Interview) statt Auflösung des DDR-PEN und Einzelaufnahme seiner Mitglieder in den bundesrepublikanischen PEN. Den DDR-Autoren sei „ein derart entwürdigendes Verfahren“ nicht zuzumuten, „nämlich ein zweites Mal gleichsam 'durchs Nadelöhr‘ zu müssen“ (Stern). In diesem Zusammenhang fallen auch des öfteren die Worte „Notaufnahme“ und „Spruchkammer“.
Man kann es so nennen. Aber dies ist genau das übliche Verfahren zur Aufnahme im PEN. In manchen Klubs muß man Geld oder Adel nachweisen, im PEN eben „Humanität, Moral und Charakterstärke“ (Heidenreich). Daß dies die heikelste aller Forderungen ist, daß Intellektuelle aber gerade auf jene nicht verzichten mögen, gibt dieser Debatte wie auch der um Christa Wolf erst Verve, Würze und unfreiwilligen Witz. Aufschub, um in Ruhe zu erwägen und zu diskutieren, ist keine Lösung des Problems.
Praktisch gedacht: Da das Präsidium des BRD-PEN erstens eine umstandslose Vereinigung ausschließt, zweitens den DDR -Schriftstellern ein nochmaliges Aufnahmeverfahren nicht zumuten will, drittens sich nicht als Spruchkammer in Einzelfällen betätigen mag und schließlich viertens auf keinen Fall dem DDR-PEN die eigene Auflösung vorschlagen möchte (weil damit Fall 2 in Kraft träte), bleibt eigentlich nur eine Lösung: beide PEN-Zentren lösen sich auf. In einem neuen Verfahren, so man an „Humanität, Moral und Charakterstärke“ festhalten will, kann man vielleicht einen Verein gründen, welcher der internationalen Charta Genüge tut, die fordert, daß ihre Mitglieder sich verpflichten, „Auswüchsen einer freien Presse, wie wahrheitswidrigen Veröffentlichungen, vorsätzlicher Lügenhaftigkeit und Entstellung von Tatsachen, unternommen zu politischen und persönlichen Zwecken, entgegenzuarbeiten“.
Elke Schmitter
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