: Paris: Die Rüstungsaktien steigen
■ Frankreich lieferte die AMX-Panzer, mit denen Iraks Armee die Hauptstadt Kuwaits besetzt hat
„Uneingeschränkte Verdammung“, äußerte die französische Regierung gestern - obwohl sie doch uneingeschränkten Grund zur Zufriedenheit haben müßte: denn die 340 „AMX„-Panzer aus französischer Produktion, die vor den zentralen Gebäuden der Hauptstadt Position bezogen, haben ihre Aufgabe ganz hervorragend bewältigt. So erlebten auch die Rüstungswerte an der Pariser Börse gestern einen wahren Höhenflug.
Kein Wunder. Frankreich ist nach der Sowjetunion (80 Prozent) der größte Waffenlieferant von Saddam Hussein. Getreu der de Gaulle'schen Doktrin, immer dort präsent zu sein, wo die Supermächte Bewegungsraum lassen, haben alle Pariser Regierungen seit Mitte der Siebziger den Diktator aufgerüstet - nach dem Motto: Kaufe jetzt, zahle später. Das laizistische, nationalistische und progressive Baas-Regime sollte Frankreichs Position in der Golfregion stärken helfen. Jacques Chirac, der 1978 die Lieferung eines AKWs an Irak einfädelte, genießt seither in Bagdad den Ruf, einer der Väter der irakischen Atombombe zu sein.
Auf der Lieferliste an Irak allein für die Jahre 1981 bis 1984 stehen 60 Mirages, 350 Exocet-Raketen, 40 Kampfhubschrauber samt Spitzenelektronik, mindestens 110 AMX -Panzer und einige hundert andere Militärfahrzeuge. Die an den Irak gelieferten Panzer waren mit neu entwickelten Kanonen ausgestattet, über die damals selbst die französische Armee noch nicht verfügte.
Größter westlicher Gläubiger des Irak
1983, der Golfkrieg war in vollem Gange, lieh die Pariser Regierung dem Kombattanten in Bagdad fünf „Super-Etendard„ -Kampfbomber, bestückt mit je vier „Exocet„-Raketen. Grund: Paris wollte dem Regime in Bagdad seine unverbrüchliche Freundschaft beweisen, um eine langsame Annäherung an den Iran diplomatisch abzusichern. Durch die Lieferung Super -Etendards - und mit Hilfe hochmoderner, lasergesteuerter AS -30-Raketen „made in France“ - konnte der Irak 1985 den Tankerkrieg beginnen und den iranischen Erdölhafen Kharq zerstören. Kharq wird zur Zeit übrigens von der französischen Baufirma ETAM wiederaufgebaut...
Angesichts dieser engen Kooperation ist es nicht verwunderlich, daß Frankreich das größte westliche Gläubigerland des Irak ist. Hussein hatte in Paris unbegrenzten Kredit. Mit vier Milliarden Dollar steht Bagdad heute in der Kreide, davon ist rund ein Viertel dem Waffenexport geschuldet.
Mit einem eventuellen internationalen Wirtschaftsboykott dürfte Frankreich denn auch seine Schwierigkeiten haben, solange die Rechnungen nicht bezahlt sind. Im letzten Jahr zahlte Irak zwar, wie im September 1989 vereinbart, die ersten 300 Millionen zurück, lehnte für dieses Jahr jedoch die Zahlung der zweiten Rate ab. Paris reagierte mit gewohnter Schärfe: keine neuen Kredite mehr - außer für Rüstungsgüter. Denn die Waffenschmieden der Nation haben bitterlich unter dem Gorbatschow-Effekt zu leiden.
Ende Januar diesen Jahres reiste Verteidigungsminister Jean -Pierre Chevenement nach Bagdad. Mit dem irakischen Minister für Militärindustrie vereinbarte der Minister die „Verstärkung der Zusammenarbeit“, konkret: den Bau einer Kampfflugzeug-Produktionsstätte im Irak, wo neben sowjetischen Migs die Mirage 2000 und Alpha Jet aus dem Hause des Rüstungskonzern Marcel Dassault montiert werden sollen. Der oberste Chef der GIAT (Zusammenschluß der französischen Rüstungsindustrie) hatte das Projekt einige Wochen zuvor mit Bagdad abgesprochen - sein Name: Jacques Mitterrand, der jüngere Bruder des Staatspräsidenten.
Alexander Smoltczyk (Paris)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen