Giftgas auf veränderter Route

■ Nach Fund von „Übungsmunition“ wird Sprengstoffanschlag befürchtet / Behörden bestätigten: kurz vor dem ersten Transporttag kam es zu angeblich ungefährlichem Zwischenfall / Greenpeace klagt

Berlin (taz/dpa) - Aus Sorge vor einem möglichen Sprengstoffanschlag hat die Polizei am Freitagmorgen erstmals die Route für den Abtransport des US-Giftgases aus der Pfalz kurzfristig geändert. Zugleich wurden gestern Meldungen offiziell bestätigt, wonach es bereits kurz vor dem ersten Transporttag zu einem von den Verantwortlichen bislang geheimgehaltenen Unfall mit den Giftgasgranaten kam. Angeblich lief der Zwischenfall glimpflich ab.

Eine in Washington eingereichte Klage der Umweltorganisation Greenpeace wird möglicherweise zur Verhinderung oder zumindest Verzögerung des Abtransportes der Giftgasgranaten vom Hafen in Nordenham zum Pazifik-Atoll Johnston Island führen.

Die Routenänderung erfolgte, nachdem die Polizei kurz vor Beginn des gestrigen Transportes sechs mit einem Zünder versehene Dosen US-amerikanischer Herkunft am Straßenrand zwischen den Orten Donsieders und Biebermühle gefunden hatte. Spezialisten stellten nach Angaben des rheinland -pfälzischen Innenministeriums fest, daß es sich bei den Dosen um „eine Art Übungsmunition“ handelte. Obwohl daraufhin Entwarnung gegeben wurde, fuhr der gestrige Gifgaskonvoi mit rund viertelstündiger Verspätung nicht über Donsieders, sondern - zum erstenmal seit Beginn des Abzuges am 26. Juli - über Rodalben nach Biebermühle und von dort über die A62 und die A6 zum Zwischenlager in Miesau. Wie ein Sprecher der Bundeswehr bestätigte, fiel am 23. Juli beim Verladen der Giftgasgranaten im US-Depot Clausen eine Palette mit acht Geschossen von der Gabel eines Staplers. Zwar sei umgehend Alarm ausgelöst worden, doch hätten die Meßgeräte keinen Austritt von Nervengas aus den Granaten festgestellt, erklärte der Sprecher. Man habe „der Panne keine Bedeutung beigemessen“ begründete er das bisherige Verschweigen des Vorfalls. So etwas könne „immer mal passieren“. Zugleich gab er jedoch bekannt, daß die Sicherheitsvorkehrungen „verschärft“ worden seien.

Greenpeace begründete seine Klage mit dem Risiko des Seetransportes von Giftgas in einwandigen Behältern, den Gefahren der Verbrennung für die Umwelt sowie der fehlenden Überprüfung anderer, von der US-Armee bereits in der Vergangenheit erfolgreich angewandter Vernichtungsmethoden. Die Umnweltorganisation wendet sich mit seiner vor dem für Hawaii zuständigen Bundesbezirksgericht in Washington D.C. eingebrachten Klage gegen die Verschiffung der 102.000 Granaten mit 400 Tonnen Giftgas von Nordenham auf das Johnston-Atoll. Unterstützt wird Grennpeace inzwischen auch von dem „Institut für die Beförderung der Angelegenheiten Hawaiis“. Beide Organisationen reichten neben der Hauptklage auch eine einstweilige Verfügung gegen den ab 18. September geplanten Seetransport ein. Sollten sie vor Gericht Erfolg haben, würde das Giftgas für längere Zeit in Nordenham zwichengelagert werden. Die Bundesregierung hatte Anfang dieser Woche auf Drängen Niedersachsens und Bremens eine Giftgas-Lagerung auf deutschem Boden über den 30. September hinaus ausgeschlossen. Die „Ökumenische Initiative Bremen“ kritisierte in einer Erklärung die geplante Verschiffung in den Pazifik als „Fortsetzung kolonialer Unterdrückungspolitik“. Die auf den Pazifikinseln lebenden Menschen würden wie schon bei den französischen und US -amerikanischen Atomversuchen zu Leidtragenden des westlichen Sicherheitsbedürfnisses.

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