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Nur Unwillen geerntet

■ Landwirtschaftsministerium will sich vom Vorwurf der Untätigkeit reinwaschen / Bauern sollen lieber handeln, statt zu protestieren

Berlin (taz) - Die für den 15. August angekündigten Protestaktionen der DDR-Agrarverbände sind unberechtigt. Das jedenfalls sagte Peter Freitag, Abteilungsleiter für Markt und Erneuerungspolitik im DDR-Landwirtschaftsministerium, gegenüber Journalisten. Die Rahmenbedingungen für die Sanierung der Landwirtschaft seien, so Freitag, vom Ministerium vorgelegt worden: Liberalisierung des Absatzes in die EG und Exportunterstützung, Liquiditätskredite und ein Sanierungsprogramm für die DDR-Nahrungsmittelbetriebe. Nun müssen die Bauern diesen Rahmen ausfüllen. In 14 Tagen seien 200.000 Schweine für den Export in die Sowjetunion abgekauft worden. Die Bauern sollen Qualitätsgetreide nicht für 25 DM je Dezitonne in die Bundesrepublik verschleudern, sondern auf die großzügigen Interventionsangebote von 33 bis 35 DM pro Dezitonne eingehen.

Während der anwesende Staatssekretär Heinemann, angesprochen auf das drohende Chaos in der DDR -Landwirtschaft und die Untätigkeit der Regierung, vor allem auf die 40 Jahre Planwirtschaft abhob, skizzierte sein Mitarbeiter zukunftsweisende Konzeptionen. Der Absatz von Milch, Fleisch und Getreide in der DDR sei nur durch die Modernisierung der rund 178 Schlachtstätten und 180 Molkereien zu sichern. Mit 30Millionen DM sei die Regierung an dem Aufbau von Schlachthöfen in Cottbus, Dessau und Neustrelitz und Milchverarbeitungsbetrieben in Prenzlau, Elsterwerda und Dresden beteiligt. Weitere 100 Millionen DM könnten 1991 in derartige Projekte fließen. Insgesamt würden über 5Milliarden DM gebraucht.

Ungefähr die Hälfte der Verarbeitungsbetriebe wird, so schätzt Peter Freitag ein, auf der Strecke bleiben, weil kein westdeutscher Partner die heruntergewirtschafteten Anlagen übernehmen wolle. In Kooperation mit der Konsumgenossenschaft soll bis November im Bezirk Halle der erste Frischmarkt eröffnet werden. Produzenten können ihre Waren dort an Ständen gebührenlos direkt verkaufen. Interventionen und der direkte Verkauf können die Absatzprobleme der gebeutelten Landwirte nicht lösen.

Auf Anfrage der taz zur Verseuchung landwirtschaftlicher Nutzflächen durch dioxinhaltige Pflanzenschutzmittel konnten die Vertreter des Landwirtschaftsministeriums keine Antwort geben. In der Vergangenheit sei der Boden nur hinsichtlich der Mikronährstoffe und Schwermetalle systematisch untersucht worden. Betroffen seien zum Beispiel Flächen im Süden, die durch industrielle Emissionen oder das Ausbringen schwermetallhaltiger Klärschlemme geschädigt wurden.

Das Agrarförderungsprogramm sieht beschleunigte Analysen kontaminierter Flächen bis Ende 1990 vor. Flächenstillegungen oder „angepaßte Nutzungskonzepte“ seien auf alle Fälle erforderlich.

ig

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