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Saddam Hussein: Askese bis zum Sieg

■ Unter dem Druck des weltweiten Boykotts ruft der irakische Herrscher dazu auf, die Gürtel enger zu schnallen / Die internationale und US-Streitmacht in Saudi-Arabien wächst / 40.000 Flüchtlinge

Nikosia/Washington (ap/dpa/afp) Während die USA befriedigt die Einhaltung des weltweiten UNO -Embargos registrieren, Pläne für eine Seeblockade schmieden und immer weitere Einheiten der internationalen Truppe in Saudi-Arabien eintreffen, apelliert Iraks Kriegsherr Saddam Hussein an seine Landsleute, ihren Gürtel enger zu schnallen und keine Lebensmittel zu horten. Bei einer Niederlage Iraks drohe den Arabern eine Zukunft in amerikanischer und zionistischer Sklaverei.

Seinen Appell richtete der Diktator speziell an die Frauen seines Landes, die er als Mudschahedat (heilige Kriegerinnen) ansprach. Ihnen falle im Kampf um die „Befreiung Jerusalems, Mekkas und Medinas“ eine wichtige Rolle zu. „Wir dürfen unsere Tische nicht überladen. Laßt uns sparsam, asketisch sein“, erklärte der Diktator. Deshalb sollten in keinem Haushalt Lebensmittel für mehr als eine Woche gelagert werden. Am Samstag hatte der Revolutionsrat Schwarzmarkthändlern, die mit Lebensmitteln handeln, mit der Todesstrafe gedroht.

Die USA haben indessen das UNO-Embargo gegen den Irak als erfolgreich gewürdigt. US-Präsident Bush sagte, die Schraube der von der UNO beschlossenen Wirtschafssanktionen werde noch stärker angezogen. Nach dem Exportstopp von irakischem Rohöl über Pipelines in Saudi-Arabien und der Türkei warnte er den Irak davor, Öl durch den Persischen Golf zu verschiffen.

Eine unmittelbare Kriegsgefahr sieht der Präsident, der die Beschlüsse der Arabischen Liga zur Entsendung einer Einsatztruppe begrüßte, nicht. Auch der französische Außenminister Dumas sieht „keinen Grund zur Panik“. Er hofft immer noch auf eine „arabische Lösung: Sie ist möglich. Sie ist im Gange“.

Inzwischen treffen laufend neue Truppen und militärisches Gerät in Saudi-Arabien ein. In den nächsten Tagen werden mehr als 50 größere Kriegsschiffe in der Region sein, die eine Seeblockade des Irak beginnen sollen. 10.000 Mann Bodentruppen und rund 100 Kampfflugzeuge sind in Saudi -Arabien zusammengezogen. Die 'Washington Post‘ berichtet, daß auch Boden-Luft-Raketen vom Typ „Patriot“ nach Saudi -Arabien geschafft würden. Dieser Typ wurde noch nie in einem Krieg eingesetzt. Er hat eine Reichweite von 95 Kilometern und kann mehrere Ziele gleichzeitig zerstören. Großbritannien hat am Samstag eine Staffel von Jaguar -Kampfbombern ins Krisengebiet, vermutlich nach Oman, verlegt. Ihnen folgten Nimrod-Aufklärer sowie Transportmaschinen für Einheiten mit Luft-Luft-Raketen. Nach den USA, Großbritannien, Frankreich und Australien hat auch Kanada die Entsendung von Kriegsschiffen in den Persischen Golf angekündigt.

Augenzeugen und Beobachter vor Ort bestätigen die US -Angaben, wonach Sanktionen und Ölboykott zumindest vorübergehend Erfolge zeitigen. Der Export von Rohöl ist nach Angaben von Branchenexperten vollständig zum Stillstand gekommen. Die türkischen Pipelines, durch die täglich 1,5 Millionen Barrel flossen, sind zugedreht. Über die saudische Pipeline flossen bisher täglich 800.000 Barrel. Die Regierung in Riad hat die Sperrung der Ölleitung noch nicht offiziell bekannt gegeben. Beobachtern zufolge gibt es aber Anzeichen dafür, daß kein Öl mehr auf Tanker umgepumpt wird. Aus gut unterrichteten Kreisen verlautete, die Saudis wollten an diejenigen Staaten, die irakisches Öl entgegennähmen, kein eigenes Öl mehr liefern. Saudi-Arabien ist der größte Exporteur von Rohöl und führt pro Tag rund fünf Millionen Barrel aus. Ein Versuch Iraks, eine über Syrien führende Pipeline, die 1982 wegen politischer Auseinandersetzungen stillgelegt worden war, zu reaktivieren, blieb in dieser Woche offenbar ebenfalls erfolglos.

Nach den in der vergangenen Woche vom Weltsicherheitsrat verhängten Sanktionen bildeten sich vor den Geschäften in Bagdad und anderen irakischen Städten lange Schlangen. Der Wirtschaftsboykott führte zu Hamsterkäufen, denen Saddad Hussein jetzt mit seinem Appell und der Drohung mit der Todesstrafe für Schwarzhändler entgegenzuwirken sucht. Irak importiert pro Jahr allein Lebensmittel im Umfang von zwei Milliarden Dollar, davon ein Drittel aus den Vereinigten Staaten. Der Ausfuhrstopp im Nahrungsmittelbereich könnte das Land nach Ansicht von Beobachtern deshalb vor größere Probleme stellen als der Ölboykott. Augenzeugen berichteten, Lebensmittelknappkeit sei im Irak bereits deutlich spürbar. Das besetzte Kuwait ist vollständig von Lebensmittelimporten abhängig und wird unter dem Embargo noch mehr leiden als der Irak, dessen Bevölkerung sich bereits im acht Jahre dauernden Golfkrieg an schmerzende Einschränkungen gewöhnen mußte.

Aus dem besetzten Kuwait sind inzwischen 40.000 Menschen geflohen. Ihnen dienten, wie auch einigen westlichen Bankmanagern samt Frauen und Kindern, die am Wochenende über Saudi-Arabien nach Bahrain gelangten, Beduinen als Führer durch die Wüste. Manche irakische Soldaten an der Grenze nach Saudi-Arabien ließen sich durch Geschenke dazu bewegen, die Flüchtenden entkommen zu lassen. Immer mehr Menschen berichten von gewalttätigen Übergriffen irakischer Soldaten im Emirat. „Zunächst haben sie Läden, Banken und Juweliergeschäfte geplündert“, sagte ein Frau, „jetzt überfallen sie Privathäuser, um Nahrungsmittel zu bekommen.“

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