piwik no script img

„Bagatellen“ - Mein schönes Fräulein

Lebens-Geschichten von Ernestine Zielke, Bremer Schauspielerin / taz-Sommer-Serie, vorletzte Folge 8  ■  hierhin bitte die

Alte auffem Sarg

Ernestine Zielke, streitbare Schauspielerin von Einfrau -Programmen und Jahrgang '23, schreibt seit längerem an ihren Erinnerungen. Eine Autobiographie soll es eigentlich nicht sein. Es ist ein Abenteuer, sagt sie, sich in ihrem Alter noch einmal darauf einzulassen, ICH zu sagen.

ICH haue ihm nächstes Mal eine runter - auf offener Bühne. Ich habe gelernt, den Ton meines Partners abzunehmen, ihm wirklich zuzuhören, noch in der 50. Vorstellung. Nichts schlimmeres gibt es auf der Bühne, als diese Killer, die den anderen an die Wand stellen - an die Wand spielen und diese beifallheischenden Kollegen mit ihrem beifallheischenden Witz, die jeden Lacher zählen.

Ich werde ihm nächstes Mal eine scheuern. Die alten Theaterhäsinnen kennen diese Theatermännerwitze natürlich und fallen nicht darauf rein. Eigentlich passiert so etwas auch nur auf den Proben, da ohne das Gelächter der anderen der Witz verpufft. Faust: Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, mein Arm und Geleit ihr anzutragen? Margarete: Bin weder Fräulein, weder schön, kann ungeleitet nach Hause gehn. So Goethe. Und gestern in der Abendvorstellung:

Faust: Schöne Jungfrau, darf ich wagen ... Ich: Bin weder Jungfrau, weder schön... Mit dem Rücken zum Publikum grinst mich Faust an. Gottseidank muß ich hier abgehen. Ich konnte mich nicht mehr halten vor Lachen, ja vor Lachen und bekam vom Inspizienten einen Verweis. Die Abendregie ging darüber hinweg - das Publikum hatte nichts mitgekriegt.

Nach dem Lachanfall habe ich geheult, was noch schlimmer war. Warum bin ich so empfindlich? Marthe Schwerthlein nimmt mich in die Arme: Ach, Kindchen, als ich anfing, war ich genauso. - Ich bin nicht prüde. - Natürlich nicht, Kindchen.

-Wenn es die Rolle erfordert, halte ich dem Publikum meinen nackten Arsch hin. - Das weiß ich, Kindchen. Marthe Schwerthlein wiegt mich hin und her. Und warum heule ich? Nächstes Mal ... Tu das, Kindchen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen