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Bush setzt auf Krieg

■ Den morgen in Amman beginnenden Verhandlungen zwischen Perez de Cuellar und dem Irak geben die USA kaum eine Chance. Präsident George Bush läßt drei unterschiedliche militärische Szenarien durchspielen und wartet auf den Abschluß des Truppenaufmarsches. Israel drängt ebenfalls auf Losschlagen.

USA sehen keine Kompromißlösung

Noch wird der Krieg auf dem Fernsehkanal CNN ausgefochten. Saddam Hussein läßt zu Wochenbeginn wieder seine westlichen Geiselgäste Grüße an die Lieben daheim ausrichten. By the way, will er damit wohl sagen: Ich mag zwar mittlerweile die Hosen voll haben, aber so einfach meine Truppen aus Kuwait vertreiben könnt ihr Amerikaner trotz eurer wachsenden Truppenstärke noch lange nicht. Im Anschluß dann die Fernsehbilder von der heimischen Gegenpropaganda im Auftrag des Pentagon. Amerikanische Reservisten, die sich von ihren Familien verabschieden, um am ersten Kreuzzug nach dem Kalten Krieg teilzunehmen; GIs, die sich mittlerweile in ihren saudischen Stellungen an Sand und Sonne eingewöhnt haben; und die ersten M1-Panzer, wie sie in der Ladeluke einer C141-Transportmaschine verschwinden. Was so viel heißen soll wie: Von Geiseln reden wir hier in den USA lieber nicht, aber wir brauchen Dich, lieber Saddam, schon heute nicht mehr zu fürchten. Und in ein paar Wochen könnten wir Deinem Regime sogar ein brutales Ende bereiten.

Nach diesem Medien Ritual der gegenseitigen Positionsbestimmung, kommt dann UN-Generalsekretär Perez de Cuellar auf den CNN Bildschirm. Zwar darf er, um seine Verhandlungsmission am Golf nicht zu gefährden, kaum etwas sagen. Doch auch hier ist das Signal deutlich: Nach dem gegenseitigen Hochschaukeln des Konflikts, nach wochenlangem Macho-Arabismus und westlichem Interventionsgedrohe darf nun erst einmal verhandelt werden. Nachdem George Bush von den Vereinten Nationen alle Kooperationsversprechen bekommen hat, die er wollte, darf die UNO die Zeit bis zum vollständig abgeschlossenen Truppenaufmarsch zur diplomatischen Mittlertätigkeit nutzen. Der Präsident ist da nicht sehr optimistisch; aber „macht nur mal“, sagt er an die Adresse der Vereinten Nationen. Und schon steigt die Börse, fällt der Ölpreis wieder unter die 30-Dollar-Marke. Die Ölkonzerne und Börsenspekulanten haben ihre Geschäfte mit PhaseI des Golfkonfliktes gemacht. PhaseII wird nun ein diplomatisches Gerangel um Positionen, Mindestforderungen und eine Definition der Verhandlungstabus bringen. Doch hinter Perez de Cuellar rollt das erste schwere Gerät der 24.mechanisierten Division aus den Militärtransportern in den saudi-arabischen Wüstensand.

Bush besteht auf dem bedingungslosen Rückzug Saddam Husseins

Für die Bush-Administration sind die Verhandlungsbedingungen nach wie vor unverändert: Vollständiger Rückzug aus Kuwait und Wiederherstellung des status quo ante. Zugeständnisse, die Saddam einen Gesichtsverlust ersparen und ihm ein ehrenvolles Ende seines mißglückten Abenteuers ermöglichen würden, kommen nicht in Frage. Der Golfspieler von Kennebunkport besteht auf der totalen Kapitulation des Diktators aus dem Zweistromland; oder er droht mit seiner Transformation zum Golfkrieger.

George Bush kann sich diese Unnachgiebigkeit innenpolitisch leisten, weil in den USA auch dreieinhalb Wochen nach dem Einmarsch irakischer Truppen in Kuwait noch keine wirkliche Diskussion über die verschiedenen Aspekte des Golfkonflikts in Gang gekommen ist. Die Führer des US-Kongresses hatten der Administration gleich zu Beginn zu ihrer Truppenentsendung gratuliert - und dann erstmal ihre Parlamentsferien fortgesetzt, aus denen sie auch am kommenden Dienstag kaum als Bush-Kritiker zurückkehren dürften. Im Gegenteil, am Wochenende machte sich eine erste Senatsdelegation zur Faktenfindung an den Persischen Golf auf, wo der konservative Minderheitenführer Bob Dole und der Chef des Streitkräfteausschusses, Sam Nunn, erst einmal lächelnd mit den GIs für ein Gruppenfoto posierten. Nach der zukünftigen Nahostpolitik der USA fragte in dieser Hitze niemand.

Selbst den sonst lautstarken Imperialismuskritikern der Linken scheint es angesichts des vorbildlichen diplomatisch multilateralen Vorgehens der Bush-Administration die Stimme verschlagen zu haben. Sogar der zweifache demokratische Präsidentschaftsbewerber Jesse Jackson sah öffentlich die Notwendigkeit einer Truppenentsendung ein, und auch für den Vorsitzenden der friedensbewegten Organisation „Sane Freeze“, Reverend Coffin, war diese Intervention ganz im Gegensatz zu Grenada und Panama ausnahmsweise einmal zu vertreten. Lediglich ein kleines Grüppchen von Anti -Vietnamkriegsveteranen unter der Führung des ehemaligen Bundestaatsanwalts Ramsey Clark, hat nun in New York eine Koalition gegen die Intervention im Mittleren Osten gegründet und plant für den Oktober (!) eine Demonstration.

Die einzig nennenswerte Kritik am jüngsten militärischen Abenteuer der USA (with a little help from their friends) kommt ausgerechnet vom rechten Flügel der konservativen Bewegung. Vor allem Reagans ehemaliger Kommunikationsdirektor und derzeitiger Kolumnist Pat Buchanan vertritt das Credo jener Konservativen, die nach dem Ende des Kalten Krieges nun ihre alte Aversion gegen ausländische Abenteuer Amerikas wiederentdecken. Nachdem diese Neo-Isolationisten schon den völligen Abzug der US -Streitkräfte aus Europa gefordert hatten, ist ihnen nun auch der Einsatz der US-Truppen am Persischen Golf zu viel und zu teuer. „Was ist denn überhaupt die politische Basis für uns Amerikaner, dort hinzugehen und womöglich unser Leben zu verlieren, für Öl, das in erster Linie nach Europa, Japan und nach Fernost fließt“, so fragte der konservative Militärstratege Edward Luttwak an die Adresse der Bush -Administration. Während einige dieser Neo-Isolationisten außerdem heftige Kritiker Israels sind, erklärt sich die unkritische Haltung vieler Liberaler im Golfkonflikt unter anderem aus ihrer grundsätzlich Israel-freundlichen Haltung.

Solche verkehrten Fronten zwischen rechts und links mögen zwar zu peinlichen innerparteilichen Reibereien führen, für die politischen Entscheidungen spielen sie im Moment kaum eine Rolle.

Die Debatte über das amerikanische Verhalten am Golf erschöpft sich in den USA deshalb bisher im Streit um militärische Optionen. Da gibt es diejenigen, die wie Carters ehemaliger Sicherheitsberater Brzezinski auf die Wirtschaftsblockade gegen den Irak setzen und ein militärisches Vorgehen erst nach deren Scheitern befürworten. Und da gibt es diejenigen, die wie Ex -Außenminster Henry Kissinger dazu raten, „eine sauber geplante und progressive Zerstörung militärischer Ziele im Irak in Betracht zu ziehen“, weil sie glauben, daß die amerikanische Öffentlichkeit einer längeren Stationierung von Truppen überdrüssig werden könnte.

Und so scheint denn auch George Bush seine kostbare Urlaubszeit zwischen den ölschluckenden Ausflügen mit seinem Rennboot und seinen obligatorischen Golfpartien mehr mit seinen Stabschefs über militärischen Schlachtplänen zu verbringen, als mit der Entwicklung einer für die Irakis akzeptablen Kompromißlösung oder gar einer über den Irak hinausreichenden Nahostpolitik. Nachdem Saddam Hussein die USA mit seiner Annexion Kuwaits böse überrascht hatte, sieht die militärische Lage für die USA nach der größten Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg wieder etwas günstiger aus. Die entscheidende Frage ist nur, welchen Preis - gemessen in Geiseln und GIs - die Bush -Administration denn für die Beseitigung Saddams zu zahlen bereit ist. Die militärischen Optionen sind mittlerweile ziemlich klar. Im ersten, langwierigen Szenario würde sich die Aufgabe der US-Truppen allein auf die Verteidigung Saudi -Arabiens und die Einhaltung der Schiffsblockade beschränken.

Kein Konzept für längerfristige Politik

im Nahen Osten

Nach der zweiten, von Henry Kissinger vorgetragenen Option, würden die F111-Kampfflugzeuge aus Großbritannien, die auf den Flugzeugträgern stationierten F18- und A6-Bomber und vom Luftwaffenstützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean einfliegende B52-Langstreckenbomber mit Hilfe britischer Tornados und Jaguars zunächst die irakische Luftwaffe und Luftabwehr außer Gefecht setzen. Dies würde dann den Weg für die Zerstörung von Atom-, Chemie- und anderen wichtigen Industrieanlagen ebnen. Am Ende stünde der Angriff auf die irakischen Bodentruppen in Kuwait und deren Vertreibung. Bei der Zerstörung der nicht ungefährlichen Skud-Raketen sowjetischer Bauart können die USA angeblich auf sowjetische Informationen über deren elektronische Ausrüstung rechnen. Dennoch, die notorische Überschätzung ihrer Feuerkraft aus der Luft und die alles andere als überzeugende Vorstellung der US-Militärs in Libyen, Grenada oder Panama werden diesen Plan in der Praxis schwieriger machen, als es bei den Reißbrettspielen den Anschein hat. Außerdem dürfte es fast unmöglich sein, diesen Überraschungsangriff zu führen, ohne damit die saudischen Gastgeber und europäischen Alliierten vor den Kopf zu stoßen.

Die dritte militärische Alternative besteht schließlich in einem Bodenangriff auf die irakischen Truppen in Kuwait. Um die dazu notwendige 3:1-Überlegenheit gegenüber den rund 170.000 irakischen Soldaten herzustellen, müßten weitere schwerbewaffnete Divisionen eingeflogen werden, was noch einmal mehrere Wochen in Anspruch nehmen würde.

Auch wenn der politische Preis für solche Militäraktionen derzeit noch sehr hoch erscheint; nach einem Scheitern der UN-Vermittlung könnten sich die USA zu einem militärischen Beseitigung des Hussein schen Regimes gezwungen sehen. Da eine dauerhafte Stationierung der US-Truppen am Persischen Golf für die Bush-Administration unabsehbare innenpolitische Probleme aufwerfen wird, droht die massive Truppenstationierung an der saudischen Grenze nach gescheiterten Verhandlungen eine Eigendynamik anzunehmen, die am Ende fast zwangsläufig zu ihrem Einsatz führen könnte. Denn so lange Saddam noch in Bagdad auf seinem Tyrannenthron sitzt, käme ein Abzug von 100.000 bis 200.000 US-Truppen aus der Golfregion nach der Verteufelung des aggressiven irakischen Regimes für die USA wirklich einer peinlichen Niederlage gleich.

Aus Washington Rolf Paasch

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