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Freudentaumel in Atlanta

■ Die Hauptstadt von Georgia (USA) darf die Olympischen Spiele 1996 ausrichten

Tokio (dpa) — Die „Goldenen Spiele“ 1996 finden in Atlanta, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Georgia statt. Diese überraschende Entscheidung traf in Tokio das Internationale Olympische Komitee (IOC). Damit kehren die Olympischen Spiele im Jahr des 100. Jubiläums der Spiele der Neuzeit nicht an ihren Ursprung zurück. Athen, 1896 erster Austragungsort der Spiele nach der Wiederbelebung der antiken Idee, gehörte wie Belgrad, Manchester, Melbourne und Toronto zu den unterlegenen Kandidaten. Mit der IOC-Entscheidung dürften auch die Chancen Berlins gestiegen sein, im Jahr 2.000 in der vereinten Stadt die Sommerspiele auszurichten.

Unmittelbar nachdem IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch vor 1.200 Gästen im Shin Takanawa Prince Hotel von Tokio und vor geschätzten vier Milliarden Zuschauern an den Fernsehschirmen in aller Welt das Ergebnis der Abstimmung von 87 IOC-Mitgliedern verkündete, unterzeichnete Atlantas Bürgermeister Maynard Jackson den Ausrichtervertrag für die XXVI. Olympischen Spiele mit dem IOC.

Mit überschwenglicher Freude reagierten die zu Tausenden zusammengeströmten Einwohner Atlantas auf die völlig unerwartete IOC-Entscheidung. Menschen fielen sich im Freudentaumel in die Arme, Hunderte von Luftballons schwebten über die Plätze.

Das auf 1,2 Milliarden Dollar basierende Konzept von Atlanta mit dem Olympic Park als Zentrum, wo 23 der 25 olympischen Sportarten ausgetragen werden sollen, hat die IOC-Mitglieder, von denen 70 vorher die Gelegenheit wahrgenommen hatten, sich auf Kosten der Stadt ein paar schöne Tage in Atlanta zu machen, offensichtlich ebenso überzeugt wie die Wirtschaftskraft des IOC-Hauptsponsors (Coca Cola). Besonders auch die infrastrukturellen Voraussetzungen erscheinen optimal. Atlanta verfügt über einen der größten Flughäfen der Welt und will für das olympische Ereignis die Hotelbetten-Kapazität auf 65.000 ausbauen.

Das Votum von Tokio hat auch die Chancen Berlins für die Ausrichtung der Olympischen Spiele im Jahr 2.000 deutlich verbessert. Hätte sich das IOC am Dienstag für Athen oder eine andere europäische Stadt entschieden, wären die Aussichten für einen europäischen Bewerber zur Jahrtausendwende nur sehr gering gewesen. Weil 1992 bereits Barcelona Sommerspiele veranstaltet, hätten dann dem olympischem Brauch folgend kaum zum dritten Mal hintereinander Olympische Spiele auf dem alten Kontinent stattgefunden. Athen, das zum 100. Geburtstag der modernen Olympischen Spiele mit einem „Traditionsbeschluß“ des IOC gerechnet hatte, will sich nun nie wieder um die Spiele bewerben.

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