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Professoren:Professorinnen=95:5

■ Die Westdeutsche Rektorenkonferenz beschließt, verstärkt die Frauenforschung an den Hochschulen zu fördern

„Frauengeschichte? Da können wir doch gleich Hundegeschichte machen.“ Dieses inzwischen „geflügelte Wort“ bekamen Historikerinnen vor 10 Jahren an der Uni Hamburg von Kollegen zu hören, als sie die ersten Frauenforschungsseminare anbieten wollten.

Heute scheint Frauengeschichte endlich stubenrein geworden zu sein. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz (WRK) — ein freiwilliger Zusammenschluß von 192 Lehr- und Forschungsanstalten der BRD — hat jetzt nämlich empfohlen, verstärkt die Frauenforschung an den Hochschulen zu fördern, da von ihr „wichtige Impulse für die Überprüfung und Weiterentwicklung nicht nur des Problemhorizontes, sondern auch der Theoriebildung und Methodologie ausgehen können.“ So steht es in der Dokumentation Nr. 25/1990 der WRK. Weiter wird ausgeführt: „Es geht hier im wesentlichen um Forschung über Frauen, deren Erfahrungen, Motivationen, Handlungen, Ideen, um frauenspezifische Sichtweisen und Art der Fragestellungen, um ,weibliche‘ Lebenszusammenhänge, aber auch um die Analyse des Geschlechterverhältnisses und seiner Entwicklung...“

Darüberhinaus geht es dem Gremium von 190 Rektoren und Präsidenten und einer Frau (ab 1. Oktober wird der Frauenanteil allerdings verdoppelt, wenn der Uni Münster eine Frau vorstehen wird) generell um die Förderung von Frauen an den Hochschulen. Sie wollen jetzt wirklich Anstrengungen unternehmen, um das seit zehn Jahren konstante Verhältnis von Professoren und Professorinnen — 95:5 — zu verbessern. Sie rufen auch nach der stillen Reserve „wenn die Jahrgangsstärken spürbar sinken und damit auch das wissenschaftliche Begabungspotential abnehmen wird“.

Zur Begründung ihrer Forderungen nach mehr Beteiligung der Frauen am Wissenschaftsbetrieb hat die WRK eine Umfrage bei allen 191 Mitgliedshochschulen durchgeführt. Die Aussagen sind eindeutig:

—Nur an 31 Hochschulen (oder 21,8 Prozent) wird eine Kinderbetreuung angeboten.

—Ein Frauenstudium ist an 20 Hochschulen institutionalisiert (14 Prozent).

—Frauenförderrichtlinien/Stellenbesetzungsrichtlinien existieren an 49 Hochschulen (34,5 Prozent).

—Frauenbeauftragte gibt es an 87 Hochschulen (61,3 Prozent).

Die relativ hohe Zahl der Frauenbeauftragten sagt aber nichts über ihre Wirksamkeit. Die meisten werden eingesetzt, nicht gewählt, sie arbeiten ehrenamtlich und oft ohne finanzielle Mittel. Ihre Mitbestimmungsrechte streben gegen Null. Hier versprechen die Rektoren Besserung: „Eine Institutionalisierung von Frauenbeauftragten ist mindestens so lange erforderlich bis die wünschenswerte und sachlich gebotene höhere Beteiligung von Frauen im Schulbereich verwirklicht ist. ...Ihnen müssen abgesicherte Informationspräsenz, Rede- Kontroll- und Initiativrechte zustehen. Ebenso unabdingbar ist eine den Aufgaben entsprechende Personal- und Sachmittelausstattung.“

Als weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Frauen an den Hochschulen schlägt die WRK vor:

—Verbesserung der Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

—„Um Familie und Beruf besser als bisher zu vereinbaren“ werden Teilzeitbeschäftigungen empfohlen, auch Teilzeitstipendien und großzügigere Beurlaubung aus familiären Gründen wird gefordert. Bei Frauen, bei denen sich wegen der Kinder die Berufskarriere verzögert hat, sollen die Altergrenzen bei Einstellungen überprüft werden.

—In den naturwissenschaftlichen Fächern wird eine gezielte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses empfohlen.

—Finanzielle Beihilfen im Rahmen der Promotions- und Habilitationsförderung, Kontakt und Wiedereinstellungsstipendien sowie Sonderprogramme zur Förderung von Wissenschaftlerinnen sollen schließlich „einen Qualifikationsschub in Mangelbereichen ermöglichen.“ Damit ab Mitte der 90er Jahre genügend Bewerberinnen für die dann größere Zahl freiwerdender Professuren bereitstehen. „Das rechtfertigt es, in zeitlich begrenzten, gezielten Programmen einen besonderen Teil der verfügbaren Mittel für die Förderung von Frauen zu reservieren, insbesondere in Fächern mit geringem Frauenanteil“, so die WRK-Dokumentation. Unterstützung bekam die WRK kürzlich auch von Bundesbildungsminister Möllemann, der 700 Millionen DM zur Förderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses zur Verfügung stellen will.

Sie sind wenigstens ehrlich: Kurzfristig und begrenzt soll der Frauenanteil angehoben werden. Das Verhältnis von 40 Prozent Studienanfängerinnen, 35 Prozent Studienabsolventinnen, 25 Prozent weibliche Promovenden und nur 5 Prozent Professorinnen muß im Hinblick auf das zu erwartende Absinken des männlichen Begabungspotentials verbessert werden. Frauen soll es wieder mal ermöglicht werden, Beruf und Familie zu vereinbaren. Dafür gibt es Teilzeitarbeitsplätze, die sich so wohltuend auf die Rente auswirken.

Dagmar Filter, die Leiterin der Koordinationsstelle an Hamburger Hochschulen, ist sich denn auch sicher: „Daß neue Stellen, neue Stipendien und neue Institutionen gefordert werden, ist für die Männer an den Schaltstellen zunächst völlig ungefährlich, im Gegenteil, sie profitieren noch davon, weil sie ja in den Gremien, die über die Mittel für die Maßnahmen entscheiden, die Mehrheiten haben.“ Zunächst einmal gäbe es aber überhaupt keine müde Mark für die WRK-Empfehlung. Sie könnte aber als gutes Argument genutzt werden, um konkrete Forderungen zu stellen. Zum Beispiel einen eigenen Topf für die Frauenforschung, quotierte Forschungsgelder, ein Gremium, in dem Frauen vorne mitbestimmen, so Dagmar Filter. Christine Weber-Herfort

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