: „Ökosteuern allein sind kein Allheilmittel“
■ Christian Hey über die EG-Initiative zur Energiesteuer, zur AKW-Förderung und über Verschmutzungszertifikate INTERVIEW
Christian Hey, Mitarbeiter des Institutes für Regionale Studien in Freiburg, hat den Entwurf für das „Weißbuch der europäischen Umweltverbände für eine ökologische Wirtschaftspolitik in der EG“ entworfen, das Ende des Jahres verabschiedet werden soll (siehe auch nebenstehenden Artikel).
taz: Umweltkommissar Ripa di Meana propagiert Ökosteuern als Allheilmittel gegen die Umweltverschmutzung. Warum unterstützen ihn die Umweltgruppen dabei?
Christian Hey: Ökosteuern allein sind kein Allheilmittel. Sie wirken nur, wenn man gleichzeitig Alternativen entwickelt, zum Beispiel umweltverträgliche Infrastrukturen, öffentliche Verkehrsnetze oder Energiesparprogramme. Dazu muß der Ministerrat Stellung beziehen. Dann wird man sehen, ob es wieder bei einer rein symbolischen Politik bleibt, die irgendwelche Details regelt, aber nicht den Mut hat, grundsätzlich Maßnahmen zu ergreifen.
Umweltverbände aus verschiedenen EG-Ländern haben die Initiative beraten und sie begrüßt.
Das Papier der Kommission ist noch sehr generell. Sie will Ökosteuern im Rahmen einer Klimaschutzpolitik und zur Bekämpfung des Ozonlochs einsetzen. Außerdem will sie damit die Probleme im Verkehrsbereich und in der Landwirtschaft zu lösen versuchen. Und das sind eigentlich auch die von uns identifizierten Schwerpunkte. Im Prinzip unterstützen wir die Initiative und hoffen, daß die Minister am Wochenende die Kommission beauftragen, ihren Vorschlag zu konkretisieren. Erst dann kann man bewerten, ob die generellen Grundlinien in eine vernünftige Richtung gehen.
Warum ist die Einführung einer Steuer auf Kohlendioxid-Emissionen umstritten?
Im Ministerrat gibt es starke Interessen, die Atomenergie über solche Ökosteuern zu fördern, indem man statt einer generellen Energiesteuer eine Kohlendioxidsteuer einfüht. Denn davon wäre die Atomenergie logischerweise befreit. Die französische und die deutsche Regierung machen zur Zeit massiv Druck in diese Richtung. Die EG- Kommission hält sich noch zurück und spricht weiterhin von einer Energiesteuer. Aber ich fürchte, daß die Atomlobby sich im Ministerrat durchsetzen wird. Dies wäre ein Beispiel, wie man Ökosteuern falsch einsetzen kann.
Problematisch ist auch der Handel mit Verschmutzungszertifkaten.
Es gibt derzeit zwei Modelle für Klimaschutzpolitik: Im ersten Fall wird jedem Land im Rahmen einer weltweiten Obergrenze für Kohlendioxidemissionen ein Budget zugeteilt. Solange die Obergrenze eingehalten wird, sollen diese Budgets untereinander handelbar sein. Ein Land, das sein Budget an Verschmutzung nicht vollmacht, kann also den Rest der ihm zugeteilten Menge an ein anderes Land verkaufen. Im zweiten Fall will man dieses System auf Unternehmensebene übertragen. Die Grundidee des Vorschlags scheint erst einmal vernünftig, denn es gibt Länder wie in Mittelosteuropa, in denen es relativ einfach und billig ist, Kohlendioxidemissionen zu vermeiden, während es in den westlichen Länder teuer ist, den relativ hohen Standard weiter zu erhöhen. Angesichts der Klimasituation genügt es jedoch nicht, sondern es muß die gesamte Energiewirtschaft radikal umgestellt werden. Wir müssen — und dies ist auch möglich — unserer Energieverbrauch in den nächsten 20 bis 30 Jahren um mindestens 50 Prozent senken. Interview: Michael Bullard
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