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Wolf in Palermo

■ Zum Mondello-Literaturpreis für Christa Wolf

Daß es sich beim „Premiere Letteraio Internazionale Mondello“ tatsächlich (auch) um ein literarisches Unternehmen handelt, ist nur mit viel Geduld in Erfahrung zu bringen. Der Abend lockt mit klingendem Spiel, australischen Pianisten und chinesischen Artisten von der traditionsreichen Fujian-Liyuan-Oper, die für das regionale TV-Programm über die Bühne vorm Pool hopsen. Im subtropischen Hotelpark am Strand bei Palermo stemmen die chinesischen Sänger auch Arien von Rossini und Puccini.

Die Mitternacht rückt näher schon — da wird die Preisträgerin ins Rampenlicht geschoben: Christa Wolf. Eifrig versichert sie sogleich, daß ihr auch in der schönen Landschaft Siziliens die deutschen Ereignisse der letzten Monate nicht aus dem Sinn kommen wollen — „das läuft immer wie ein Film dahinter ab“. Diese Ereignisse bringt der Showmaster auf die griffige Formel „annexione e fusione“. Wer nun freilich darauf gehofft hat, Christa Wolf werde den womöglich unzureichend informierten Süditalienern kurz erläutern, daß die DDR weder von der Bundeswehr überfallen noch einfach in Firmenareal von Daimler-Benz umgewandelt wurde, sah sich getäuscht. Sie schweigt zu der massiven, gleichwohl nicht unüblichen Unterstellung, setzt die unter den DDR-Verhältnissen erprobte Technik des Ausweichens fort: Ihr wäre es doch auch lieber gewesen, wenn nicht alles so schnell gegangen und eine Föderation zweier gleichberechtigter Staaten zustandegekommen wäre.

Schließlich meint Christa Wolf, daß nun auch der Freundschaft zu den Völkern Osteuropas die Türen geöffnet wären. Durch die Fusion Deutschlands? Oder spricht sie gar für diese Völker und empfiehlt unterschwellig, die Freundschaft von dem wenig liebenswerten einen Deutschland nach Osten abzuleiten? Oder hat sie nur eben wieder einmal die richtigen Worte nicht gefunden, für das, was sie meinte? Damit müssen wir nun wohl, wenigstens für eine Zeit, leben: daß die deutsche Literatur von Leuten repräsentiert wird, die es mit dem Bemühen der Sprache um die Wahrheit nicht ernster nehmen, als es ein lauer Spätsommerabend nahelegt. (Fällt dir nichts ein, so kläff' im Chor; d. Korr.) Frieder Reininghaus

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