Daimler/Mitsubishi: Kein Zweifel am Konsens

Spitzengespräche in Tokio beendet/ Triebwerks-Triade geplant  ■ Aus Tokio Georg Blume

„Tief berührt“ zeigte sich der Vorstandsvorsitzende der Daimler-Benz AG, Edzard Reuter, von dem Empfang, den ihm das Top-Management der Mitsubishi-Gruppe am Dienstag und Mittwoch in Tokio bereitete. Der Umstand, daß fünfzig Mitsubishi-Verantwortliche Reuter zu Ehren zusammenkamen, unterstreicht aus Sicht des Daimler-Chefs, „wie einheitlich die Meinung in der Mitsubishi-Gruppe hinsichtlich gemeinsamen Anstrengungen sei“. Zum Abschluß seines Japan-Aufenthalts betonte Reuter gestern vor der Presse, daß sich seine Firma und die Mitsubishi-Gruppe „auf einen gemeinsamen Weg befinden“.

Reuter trat in Tokio weniger als Geschäftsmann denn als Weltpolitiker auf. Den Mitsubishi-Daimler- Deal sieht Reuter im Rahmen einer „fundamentalen Veränderung der Welt“, in der die riesigen Investitionserfordernisse für neue Technologien die Unternehmen zwängen, „in größeren Einheiten zu denken“. Hinzu komme, daß die Weltwirtschaft von einer Tendenz beherrscht werde, die „bisher voneinander getrennte Märkte immer stärker integrieren“ würde. Reuter: „Die Welt ist heute ein Dorf.“

Kapitalverflechtung möglich, aber noch nicht geplant

In diesem Dorf, so Reuter, haben sich Daimler-Benz und die Mitsubishi-Gruppe ein „ehrgeiziges und schwieriges Ziel gesetzt“. Schließlich nannte er auch ein konkretes Vorhaben: Er möchte die Mitsubishi-Gruppe möglichst bald zur Zusammenarbeit für eine Pkw-Produktionsstätte in der Sowjetunion gewinnen. Die Spitzen von Daimler und Mitsubishi, so gab Reuter bekannt, werden im kommenden Frühjahr — nach dem ersten Treffen im März in Singapur und der jetztigen Herbstkonferenz — erneut zusammentreffen und „nicht wenige Kooperationsprojekte bekannt geben“.

Ferner wollte der Daimler-Chef nicht ausschließen, daß es bereits im nächsten Jahr zu „kleinen Aktientauschen“ zwischen Mitgliedsunternehmen der beiden Firmengruppen kommt. Zwar betonte Reuter sofort, daß über solche Verflechtungen zur Zeit nicht gesprochen werde und auch noch keine konkrten Pläne existierten. Für den Fall aber, daß im nächsten Jahr eine ausreichende Anzahl von gemeinsamen Projekten vereinbart wird, ist der Daimler- Chef zu Gesprächen über Kapitalbeteiligungen bereit.

Besonderen Wert legte Reuter auf die Verantwortung von Daimler und Mitsubishi, in der Sowjetunion zu investieren. In sehr deutlichem Tonfall forderte er die japanische Regierung auf, ihre Grundsatzposition gegenüber der Sowjetunion zu ändern. Bisher halten sich japanische Unternehmen, auch Mitsubishi, mit Investitionen dort zurück, weil ihre Regierung vorher die Rückgabe von vier nach dem 2. Weltkrieg von Stalin annektierten Inseln verlangt. Als Zeitverschwendung bezeichnete es Reuter, darüber zu diskutieren, ob ein vereintes Deutschland wiederum nach der Hegemonie in Europa oder darüber hinaus streben würde. Die Anzahl von „100 bis 150“ gemeinsamen Projekten, die der Mitsubishi-Projektleiter Yoshiro Taniguchi erstmals ins Gespräch gebracht hatte (taz vom 17.9.), bezeichneten Daimler- Verantwortliche als „vernünftig“.

Auf der Pressekonferenz gab der Daimler-Chef dann noch eine interessante Einschätzung seines neuen Bündnispartners und der gemeinsamen Kriegsvergangenheit beider Unternehmen: „Die Mitsubishi-Unternehmen sind sehr stolz auf ihre Unabhängigkeit. Wir haben es deshalb nicht nur mit einem Partner zu tun. Aber ebenso stolz sind die Mitsubishi-Unternehmen auf ihre gemeinsame Tradition, die weit in die japanische Geschichte zurückreicht. Weder Mitsubishi noch Daimler wollen hier bezüglich dieser Geschichte etwas verbergen. Niemand träumt davon, die Geschichte wiederzubeleben. Deswegen können wir auch über diese Fragen offen miteinander sprechen.“ Reuter läßt es damit zugleich offen, ob er die Mitsubishi-Gruppe als Ganzes oder als Unternehmenskonglomerat betrachtet. Die Realität ist offenbar auch für ihn widersprüchlich.

Unter den elf vorgestellten Projekten in unterschiedlichen Planungsstadien sind mehrere bedeutende: Zum einen soll eine regelrechte Triade im milliardenschweren Triebwerksbau (zwischen Mitsubishiu Heavy Industries, Daimler's Dasa und Pratt & Whitney, der Turbinentochter von United Technologies) entstehen. Zum anderen soll Mitsubishi Daimler beim Bau von Omnibussen in der UdSSR unterstützen. Sodann wird Mitsubishi der Daimler-Dienstleistungstochter debis beim Aufbau eines internationalen Finanz- und Handelssystems helfen. Im Gespräch ist auch die gemeinsame Entwicklung eines Regionalflugzeugs und die gemeinsame Satellitennutzung. Und neben einem Geländewagen wollen die beiden Firmen auch einen gemeinsamen neuartigen Kühlschrank auf den Markt bringen. Über mögliche GPA-Beteiligungen (siehe unten) wurde nichts bekannt.

Zeitgleich wurde am Dienstag an der Tokioter Börse erstmals die Daimler-Aktie eingeführt. Bisher gab es das Papier ausschließlich in der BRD und in der Schweiz.