: Stasi-Auflösung als Film
■ Keine Verdrängung der Vergangenheit
Ost-Berlin. Leere Treppenhäuser, endlose Flure, riesige Sitzungssäle — mit diesen Einstellungen aus der ehemals allmächtigen Stasi-Zentrale beginnt Streng vertraulich oder Die innere Verfassung. Der neunzigminütige Dokumentarfilm beschreibt die Geschichte der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Der Ostberliner Filmemacher Ralf Marschalleck, selbst Mitglied des Bürgerkomitees zur Auflösung der Stasi, will mit seinem Film »den allerorts zu verzeichnenden Verdrängungsprozeß aufhalten«.
Der DEFA-Film soll weder lückenlose Dokumentation noch spektakuläre Enthüllung sein, sondern »ein Psychogramm von Tätern und Opfern«. Gezeigt werden historische Lobpreisungen des MfS durch Honecker und Mielke und andere Dokumente aus Bild- und Tonarchiven des MfS wie Observationsvideos der Stasi aus dem Palast der Republik. Aufzeichnungen von Demonstrationen gegen die Stasi und dem Sturm der Zentrale in der Normannenstraße am 15. Januar rufen die jüngste Geschichte in Erinnerung. Drei ehemalige Stasi- Mitarbeiter kommen zu Wort, die zwischen Bekenntnissen, Rechtfertigungen und Resignation hin- und hergerissen sind. Am wichtigsten sind jedoch die Mitglieder des Bürgerkomitees, die über Begegnungen und Gespräche mit Stasi- Mitarbeitern reflektieren. »Die langen Gespräche mit den Stasi- Mitarbeitern«, so Friedemann Wittko vom Bürgerkomitee, veränderten beide Seiten. Die Zweifel des Komitees an der eigenen Arbeit sind groß, mußten sie doch auflösen, bevor sie sich in die Strukturen eingearbeitet hatten. Aufarbeitung des gesamten Apparats und Vergangenheitsbewältigung stünden an. Genau das drohe aber »im DM- Taumel der Wiedervereinigung« verlorenzugehen. Statt dessen würden alle Vergangenheitsprobleme auf die Stasi projiziert und der/die einzelne damit freigesprochen, vermutet das Bürgerkomitee.
»Wenn du dir überlegst«, sagt Wittko, »daß wir diese ganzen Scheiß-Dossiers im Grunde genommen nur auf den Präsentierteller legen für die Nachfolgeorganisation, dann könnte man schon zum Anarchisten werden.« In der Schlußeinstellung des Films fordert er zum verantwortlichen Umgang mit der Vergangenheit auf. Denn sonst »war auch die Auflösung des MfS nichts anderes als ein symbolischer Akt«. Sabine am Orde
Die Uraufführung des Films findet am 7. Oktober in der ehemaligen Stasi-Zentrale in der Normannenstraße statt. Danach wird er auch in bundesdeutschen Kinos zu sehen sein.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen