: Mit dieser SPD kein Bündnis
■ Auszüge aus der Eröffnungsrede von Grünen-Vorständler Ströbele DOKUMENTATION
Weltmachtdiskussion
Es ist für mich egal, ob die Grünen nun die Weltmacht Deutschland, Gesamtdeutschland herbeiführen wollen oder ob sie nur sagen, die kommt ohne uns und wir müssen damit umgehen. Für grüne Politik geht es an Essentials, an die Grundgesten der Grünen, wenn jemand fordert, daß Grüne sich an die Schalthebel der Weltmacht Gesamtdeutschland setzen und auf diese Weise die Politik in der Welt mitbestimmen sollten. Es geht an die Grundfeste und die Essentials der Grünen, wenn darüber hinaus gefordert wird, die Weltmacht Gedamtdeutschland soll militärisch eingreifen außerhalb der Bundesrepublik, wie etwa jetzt am Golf oder anderswo. Unsere Antwort dazu ist klar. Ich denke, eine lange Diskussion darüber brauchen wir nicht zu führen. Weltmacht Deutschland zivilisiert ist genauso wenig vorstellbar wie eine friedliche Atommacht. Kriegsdienstgegner können für eine Weltmacht genauso wenig eintreten wie Demokraten etwa für einen guten König oder für einen guten Diktator eintreten können — das schließt sich aus! Eine Weltmacht läßt sich nicht zivilisieren! Wir setzen uns dafür ein, daß dieses Gesamtdeutschland möglichst viele Souveränitätsrechte und Hohheitsrechte abgibt an übergeordnete Organisationen, internationale Organisationen, wie die KSZE etwa. Das ist die eine Seite. Die andere ist, wir treten dafür ein, daß Politik in diesem zukünftigen Deutschland bestimmt wird noch mehr als bisher dezentral, föderal, in den Regionen.
Die Grünen sind nach wie vor die einzige Partei in der Bundesrepublik, die eine ganz konsequente Abrüstung will, die dazu auffordert, die Wehrpflicht zu verweigern, die keine Waffen und keine Soldaten in diesem Land will.
Die PDS
Die PDS versteht sich bewußt in der Tradition der SED. Eine Partei, die mit ihrer Politik eine ökonomische, eine gesellschaftliche und eine menschliche Katastrophe diesen Ausmaßes, wie sie jetzt in der DDR zu sehen ist, verschuldet hat. Eine solche Partei kann nicht so tun, als wäre nichts gewesen, kann nicht so tun, als wenn sie weitermachen kann, ohne sich damit auseinanderzusetzen, sich selber der Bevölkerung der DDR und uns die Frage zu beantworten, wie konnte das so geschehen, wie konnte sich das so entwickeln und Erklärungen dafür zu suchen, die Verantwortung dafür zu übernehmen und das auch zu verarbeiten. Eine Partei, deren Untergliederungen in einzelnen Bereichen der DDR die einzige ist, die — etwa in Greifswald — für die Aufrechterhaltung und die Neuerrichtung von Atomkraftwerken eintritt. In Stendal bei Berlin soll ein neues Atomkraftwerk gebaut werden, wenn es nach der dortigen Fraktion der PDS ginge. Eine Partei, die es nicht fertig bringt, auf ihrer Landesdelegiertenkonferenz, auf ihrem Parteitag und ihrem Bündnisparteitag, mit der Linken Liste/PDS, sich klar zum sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie zu bekennen, das kann kein Partner für linke und grüne Politik sein. Eine Partei, die so schnell den Dreh von der Planwirtschaft, der gescheiterten, der katastrophal gescheiterten Planwirtschaft zur Marktwirtschaft bringt und dann auch nicht sagen kann, was sie denn an der Marktwirtschaft anders machen will. Eine Partei, deren Führung jede Gelegenheit beiseite läßt, nicht nutzt, das PDS- Vermögen, das auch aus größeren Betrieben besteht, wie etwa der größten Verlagsanstalt in der DDR, nicht in alternative Formen von Selbstverwaltung überführt und Neues versucht, eine solche Partei ist nicht glaubwürdig, wenn sie behauptet, sie will die Marktwirtschaft eingeschränkt und sozial gestalten.
Letzter Punkt zu unseren Dissidenten: Ich kann verstehen, daß viele kritisieren, auch Freunde, mit denen ich in Berlin zusammengearbeitet habe und mit denen ich zusammen die Koalition mit der SPD in Berlin ausgehandelt habe, die Grünen und die SPD, die kommen sich zu nahe. Die Kritik, die Grünen schaffen es nicht in allen Bereichen, in Niedersachsen, in Berlin, klare Alternativen zur SPD zu benennen und zu zeigen, wo auch Schluß ist mit einer Zusammenarbeit — das kann ich verstehen. Aber ich kann nicht verstehen, daß dieselben sich jetzt mit einer Partei einlassen, mit der PDS einlassen, deren Vorsitzender keinen Parteitag ausläßt, in dem er nicht der SPD unsittliche Angebote macht, die so weit gehen, daß er sich ohne jede Bedingung mit ihr natürlich einlassen und mit ihr zusammengehen würde.
Die Grünen sind angetreten als etwas Neues. Sie wollten die Gruppenegoismen, die unterschiedlichen Politik-Ansätze der 70er Jahre überwinden und haben deshalb ein neues Politik-Konzept entwickelt, dessen Kern darin besteht, ein Bündnis einzugehen, ein Bündnis der radikaldemokratischen, der ökologischen, der radikalreformerischen Kräfte in der Bundesrepublik und auch der sozialistischen Kräfte. Es gibt auch heute keine Alternative zu diesem linken, grünen, radikaldemokratischen, ökologischen Bündniskonzept.
Der Einigungsvertrag
Der Vertrag, der vorgestern gefeiert worden ist, ist dick. Dieser Vertrag hat Teile zum Inhalt, die in der öffentlichen Diskussion zu kurz gekommen sind. Dieser Vertrag beinhaltet unter anderem die größte Landnahme der deutschen Industrie seit den Kolonialkriegen, sieht man mal von der Nazi-Zeit ab. Was da vereinbart worden ist, ist unter anderem, daß die gesamte DDR-Industrie, die ehemals angeblich volkseigene DDR-Industrie, nun der Treuhandgesellschaft des Bundesfinanzministers untersteht. Dieser Minister bestimmt jetzt, diese Treuhandgesellschaft bestimmt jetzt, welche Betriebe überleben und welche nicht. Er bestimmt, daß die überleben, die sich mit bundesdeutschen Firmen zusammentun und die das Wachstum und den Profit der bundesdeutschen Firmen vergrößern. Dieser Vertrag hat auch zum Inhalt — und das ist ja diskutiert worden, aber über diese Dimensionen besteht bisher keine Klarheit — daß etwa eine Million Bundesbürger Eigentumsrechte in der DDR geltend machen können, auch solche, die über Generationen überhaupt nicht mehr wußten, daß sie dort Eigentum hatten. Das bedeutet, daß die DDR-Bevölkerung in einem unvorstellbaren Ausmaß sich jetzt bundesdeutschen Hauseigentümern, Grundeigentümern, Fabrikeigentümern unterwerfen muß. Gestern hat einer der Gäste aus der DDR auf dem Podium bei dem Umbau- Kongreß davon gesprochen, er kenne bereits Ortschaften in der DDR, in der sich die Menschen aus Angst vor diesem Zugriff bewaffnen.
Die SPD
Die SPD stellt sich immer mehr nur als zweite Variante derselben Politik heraus. Man erkennt nicht mehr, mit welcher anderen Position die SPD in der öffentlichen Diskussion Stellung nimmt. Oskar Lafontaine fällt nur noch ein: Steuern müssen erhöht werden — alle wissen längst, daß das so sein wird. Ich warte ab, bis Herr Kohl oder Herr Schäuble gesagt haben, ja, ja, die Steuern werden erhöht werden — ich weiß nicht, was dann Lafontaine noch für einen Wahlkampf führen will, wenn er sich nur an dieser Frage so festkrallt.
Uns geht es um das grundsätzlich Andere in der Entwicklung der DDR, ich denke dabei müssen wir auf die Unterstützung der SPD verzichten. Weil die SPD keine Gegenkonzepte hat, weil die SPD sich hat zurückfallen lassen in die Zeit von 1914, weil sie wiederum Angst hat, als Vaterlandsverräter zu gelten, und weil sie wieder heute genauso den Gesetzen zustimmt, wie sie damals den Gesetzen für die Kriegskredite zugestimmt hat, beantwortet das zum Teil die Frage nach Koalition und Bündnissen. Diese SPD, mit diesem Lafontaine und mit diesem Vorsitzenden Vogel, der in den letzten Tagen in jeder Radiosendung nur noch betont hat, sie werden allen Gesetzen zustimmen, sie werden keines auslassen, und die auch soweit geht, zu versuchen, Popularität im Lande zu erreichen, indem sie das Asylrecht zur Disposition stellt, mit dieser SPD kann es kein Bündnis und keine Koalition geben. Christian Ströbele
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