Keine Dauerwellen mehr nach 18 Uhr 30

■ Mit der Einheit müssen die einstigen DDR-Bewohner mit anderen Ladenschlußzeiten und neuem Mietrecht zu Rande kommen

Bonn (dpa/taz) — Der Morgen danach — was sonst als der 3.Jubel-Oktober könnte gemeint sein — bringt außer vielleicht einem Kater mit Sicherheit einen veränderten Alltag, insbesondere für Einheimische der ehemaligen DDR. Es folgt ein kleines Kompendium gesetzlicher Neuerungen, mit denen es dann zu leben gilt:

VERKEHR: Das Mindestalter für Laster- und Busführerscheine wird von 18 auf 21 Jahre, das für Kleinkrafträder von 15 auf 16 Jahre heraufgesetzt. 18- und 19jährige ZweiradfahrerInnen müssen sich auf Maschinen bis zur 27-PS-Klasse beschränken (Stufenführerschein). Eine neue Fahrerlaubnis läßt sich überall nur „auf Probe“ erwerben. Alte DDR-Führerscheine behalten ihre Gültigkeit.

Kraftfahrzeuge müssen spätestens bis Ende 1992 zur technischen Kontrolle. Schon ab 1.Oktober nehmen 15 Prüfstellen beziehungsweise 1.200 Werkstätten die Kontrollen im DDR-Gebiet vor. Die gesamte Straßenverkehrsordnung tritt erst am 1.Januar 1991 in Kraft. Dann sind nur noch Ampeln mit der Farbfolge Grün-Gelb-Rot zulässig. Das in der DDR übliche Grün-Gelb hat für eine Übergangszeit die gleiche Bedeutung wie Grün: Freie Fahrt. Rechtsabbiegen bei Rot ist künftig verboten.

Im Westen gekaufte Zugfahrkarten für Strecken der jetzigen DDR-Reichsbahn werden mit dem Beitritt billiger. DDR-BürgerInnen können auf Weststrecken bis Jahresende noch zur Hälfte des üblichen Tarifs reisen.

MIETEN: Dem Einigungsvertrag zufolge gilt das bundesdeutsche Mietrecht, aber vorerst mit besonderem DDR-Mieterschutz. Wohnungsmieten sollen bis zum 31.Dezember 1991 nicht erhöht werden können. Dennoch dürfen Hauseigentümer künftig für Müllabfuhr, Wasser, Abwasser, Straßenreinigung und Heizung Nebenkosten berechnen. In welcher Höhe und ab wann, steht noch nicht fest. Kündigungen sind in „Härtefällen“ möglich, zum Beispiel wenn der Vermieter oder seine Angehörigen selbst keine Wohnung haben. Mieter in einem Zweifamilienhaus dürfen allerdings vom 3.Oktober an aufgrund „berechtigter Interessen des Vermieters“ (Bürgerliches Gesetzbuch) auf die Straße gesetzt werden.

Nach neuem Recht können Mieter verlangen, daß Eigentümer ihre Objekte in einen „verkehrssicheren“ Zustand setzen. Wer bei Abschluß des Vertrags vorhandene Mängel kannte, darf die Miete nicht wegen der Mängel mindern. Vom Beitritt an muß für jede bauliche Veränderung die Erlaubnis des Eigentümers eingeholt werden.

VORRUHESTAND: Ab 3.Oktober gilt für alle, die kurz vor der Rente arbeitslos werden: Männer vom 57. und Frauen vom 55. Lebensjahr an erhalten für drei Jahre (Frauen fünf Jahre) ein Altersübergangsgeld von 65 Prozent des letzten Netto-Durchschnittslohns.

LOHNSTEUER: Von 1991 an soll die Lohnsteuer auf westdeutschen Lohnsteuerkarten berechnet werden. Aus diesem Grund müssen alle Arbeitgeber diese Karten schon bis zum 1.Oktober an ihre Beschäftigten ausgehändigt haben.

RECHT: Wer Unterhaltsansprüche für minderjährige Kinder nicht bezahlt, macht sich zukünftig nach bundesdeutschem Recht strafbar. Die Staatsanwaltschaft kann ermitteln und den Schuldner per Fahndung suchen lassen. Höhere Unterhaltszahlungen als früher können mit Hilfe von Gerichten durchgesetzt werden. Wer einen Anwalt braucht, aber kein Geld hat, kann vom 3.Oktober an nach dem Beratungshilfegesetz eine Unterstützung beantragen.

POST: Der „gelbe Riese“ Bundespost dehnt zwar seine Zuständigkeit in Richtung Osten aus, aber das Briefporto bleibt vorerst unterschiedlich. In den neuen Ländern kostet ein Brief weiterhin 50 Pfennig. Wer dagegen im Westen einen Standardbrief in den Kasten wirft, muß eine Mark bezahlen. Bei Sendungen in den jeweils anderen Teil Deutschlands sollte die Postleitzahl durch ein „O“ oder „W“ ergänzt werden: Nach Weimar muß es dann „O — 5 300 Weimar“ heißen, nach Bonn „W — 5 300 Bonn“. Nachnahmesendungen lagern nur noch sieben statt 15 Tage auf dem Amt.

Briefmarken mit dem Aufdruck „Deutsche Demokratische Republik“ werden am 3.Oktober ungültig. Die nach dem 30.Juni in der DDR erschienenen Marken mit der Bezeichnung „Deutsche Post“ können noch bis Ende 1991 aufgebraucht werden.

Beim Telefonieren über die frühere Grenze hinweg kommt man vorerst ohne die Länderkennungen 037 (DDR) oder 049 (Bundesrepublik) nicht aus. Im Unterschied zum Westen gilt laut Bundespost-Telekom im Osten nach dem Beitritt ein Endgerätemonopol: Das heißt, Privatleute dürfen im Gegensatz zum Rest Deutschlands keine selbst gekauften Telefone anstöpseln.

Die Postbank werde vom Tag der Vereinigung an keine kombinierten gelben Postspar- und Girobücher mehr ausstellen, hieß es auf Anfrage in Bonn. Dennoch dürften die alten „Gelben“ weitergeführt werden. Postämter in den neuen fünf Bundesländern sind bis auf weiteres nicht in der Lage, Euro-Schecks einzulösen.

LADENSCHLUSS: Das bundesdeutsche Ladenschlußgesetz wird gültig. Danach müssen Geschäfte werktags grundsätzlich um 18.30 Uhr — Ausnahme donnerstags um 20.30 Uhr — schließen. Ein Friseurbesuch bis 22.00 Uhr ist dann nicht mehr möglich.