: Konföderationspläne für Jugoslawien
Slowenien und Kroatien wollen künftig nur einen lockeren Staatenbund akzeptieren/ Verwiklichungschancen sind ungewiß/ Säbelrasseln des Kommandanten der nördlichen Militärregion ■ Von Roland Hofwiler
Belgrad (taz) — In aller Eile unterbreiteten am Wochenende die beiden Republiken Slowenien und Kroatien einen Plan zur Neuordnung der jugoslawischen Verfassung. Auf lange Sicht soll sich das jetzige Jugoslawien auflösen und an seiner Stelle ein loser Staatenbund in Form einer Konföderation entstehen. Für den Übergang wird ein Zeitraum zwischen fünf und zehn Jahren eingeplant. In Etappen sollen die jetzigen sechs Republiken volle Souveränität einschließlich der Finanzhoheit, eigener Außenpolitik und Landesverteidigung erhalten. Aufgaben künftiger Bundesorgane wären nur die Sicherung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes und die militärische Koordinierung im Kriegsfall. Der Plan soll in der kommenden Woche dem zentralen Bundesparlament zur Abstimmung vorgelegt und von den regionalen Parlamenten Sloweniens und Kroatiens so bald wie möglich ratifiziert werden. Er ist nach Meinung des slowenischen Präsidenten Kucan die einzige Alternative zum Auseinanderbrechen Jugoslawiens.
Während slowenische und kroatische Radiosender in Sondersendungen diesen Vorstoß in Richtung Unabhängigkeit zu propagieren suchten, meldete sich der stellvertretende Oberkommandierende des fünften jugoslawischen Militärbezirks ebenfalls zu Wort. General Ivo Tominc drohte mit dem Eingreifen der Armee, sollte es durch die „augenblicklich unverantwortliche Politik“ innerhalb des Militärbezirks zur Anwendung von Gewalt kommen. Tomic untersteht die gesamte Republik Slowenien und das kroatische Ballungszentrum um Zagreb.
Ansonsten wurde der Vorschlag zur Konföderationsumwandlung mit Schweigen bedacht. Weder die Führungen der südjugoslawischen Republiken noch die Zentralregierung äußerten sich bisher. Auch der Konflikt um die Ljubljaner Kommandozentrale der Territorialverteidigung ist noch nicht ausgestanden. Militäreinheiten postieren noch immer im Ljubljaner Stadtzentrum. Sloweniens Verteidigungsminister Jansa hat bewaffneten Widerstand für den Fall angekündigt, daß die jugoslawische Armee die „ausgewichene“ Kommandozentrale angreifen sollte. Mit Besorgnis registriert man in Slowenien, daß im italienischen Triest und den österreichischen Bundesländern Kärnten und Steiermark Krisenstäbe eingesetzt worden sind. Das Wiener Außenministerium ließ verlauten: „Das Bundesheer steht bereit, um Grenzschutzaufgaben zu übernehmen. Einsatzpläne für einen möglichen Flüchtlingsstrom liegen vor.“ Des weiteren rate man von Touristenreisen zum südlichen Nachbarn ab.
Sollte es wirklich um eine sachliche Diskussion der Konföderationspläne kommen, so glauben selbst Optimisten nicht an deren Umsetzungschancen. Sechs Republiken könnten schon deshalb nicht in sechs Nationalstaaten umgewandelt werden, weil weder die ethnischen noch die historischen Grenzen mit den augenblicklichen Republiksgrenzen identisch sind. Dabei haben die slowenischen und kroatischen Politarchitekten die heikelste aller Fragen gar nicht berührt: Welche Rechte sollen den Minderheiten zugesprochen werden? Bekanntlich leben bedeutend mehr Albaner innerhalb Jugoslawiens als Angehörige der „staatstragenden Völker“ — so die offizielle Definition. Auch die Zahl der Roma und Ungarn geht in die Hunderttausende, und auch dort ertönt der Ruf nach territorialer Autonomie.
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