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Jerusalem kommt nicht zur Ruhe

■ Die schweren Unruhen in der Tempelstadt und den besetzten Gebieten halten weiter an

Jerusalem/New York (ap) — Nach dem Blutbad von Jerusalem ist der Tempelberg erstmals seit dem Siebentagekrieg von 1967 völlig abgeriegelt worden. Nach israelischer Darstellung lösten Steinwürfe von Palästinensern auf Juden, die an der Klagemauer das Laubhüttenfest feierten, das Massaker aus. Polizisten und Soldaten hätten zuerst mit Tränengas und Gummigeschossen, dann aber auch mit scharfen Schüssen reagiert.

An mehreren Stellen der Stadt kam es am Dienstag immer wieder zu Straßenkämpfen zwischen Palästinensern und der Polizei. Am Tempelberg, wo am Montag mindestens 22 Palästinenser erschossen worden waren, setzte die Polizei Tränengas gegen Moslems ein, die eine Polizeikette durchbrechen wollten, um in die Al-Aksa-Moschee oder den Felsendom zu gelangen. Das gewaltsame Vorgehen der israelischen Soldaten stieß international auf scharfe Kritik.

Im israelisch besetzten Westjordanland und im Gazastreifen, wo Palästinserführer wegen der blutigen Ereignisse in Jerusalem zu einem zweitägigen Generalstreik aufgerufen haben, kam es am Dienstag wiederholt zu Zusammenstößen zwischen jugendlichen Steinewerfern und der Polizei. In Nazareth setzte die massiv verstärkte Polizei auch Tränengas gegen Jugendliche ein, die Straßenblockaden errichteten und pro-irakische Parolen riefen. Bereits unmittelbar nach dem Blutbad waren im Westjordanland und im Gazastreifen drei Palästinenser erschossen worden.

Die israelische Armee verlängerte ihre Ausgangssperre in den besetzten Gebieten, die am Montag unmittelbar nach den tödlichen Schüssen auf die drei Palästinenser verhängt worden war. Für fast alle größeren Städte in der Westbank sowie im gesamten Gazastreifen gilt nun ein umfassendes Ausgangsverbot. Auch die nicht davon betroffenen Araber in Israel wurden mit Straßensperren an der Fahrt nach Jerusalem gehindert. Die im Gazastreifen besonders einflußreiche islamische Widerstandsbewegung „Hamas“ kündigte an, den Aufstand zu intensivieren. Die „Fatah-Intifada“, eine palästinensische Splitterorganisation außerhalb der PLO, rief zur Anwendung von Waffengewalt gegen die israelischen Besatzungstruppen auf. Während des „Aufstandes der Steine“ haben die Palästinenser bislang bewußt keine Schußwaffen eingesetzt.

Die Polizei verhaftete am Dienstag einen Stellvertreter des geistlichen Oberhaupts der Jerusalemer Moslems, Scheich Mohammed Dschamal, unter dem Vorwurf, die Unruhen vom Montag angezettelt zu haben. Das 80jährige Oberhaupt selbst, Mufti Said al-Din al-Alami, wurde nach dem Tränengaseinsatz am Tempelberg in ein Krankenhaus eingeliefert.

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