Neue gesellschaftliche Spielregeln!

■ Wahlergebnis ist Ausdruck der Schwäche von SPD und Bürgerbewegung GASTKOMMENTAR

Die dritten Wahlen innerhalb von sechs Monaten brachten in der ehemaligen DDR keine Überraschungen. In vier von fünf Ländern stellt die CDU den Ministerpräsidenten. Und in einem hat sie sogar die absolute Mehrheit. Obwohl in den letzten Monaten viele Menschen ihre Illusionen verloren haben, ist die alte Regierungspartei wiedergewählt worden. Angst vor Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, drohender sozialer Abstieg haben nicht dazu beigetragen das Wahlverhalten der ehemaligen DDRler wesentlich zu ändern.

Wen aber hätten sie wählen sollen? Dieses Wahlergebnis ist zugleich ein Ergebnis dessen, daß es in Deutschland keine starke Oppositionspartei gibt. Und daß der Selbstorganisierungsprozeß der DDR-Gesellschaft noch nicht stattgefunden hat. Das Wahlergebnis ist die Quittung des Volkes für den mangelnden Kampfesmut der Sozialdemokraten und die Schwäche der alten DDR-Opposition. Die Schwarzmalerei der SPD reicht eben nicht aus, um als Verfechter von Demokratie und sozialem Engagement glaubhaft zu werden. Dazu hätte es mehr Widerstand bei den Verhandlungen um den Einigungsvertrag bedurft, dazu hätte es klarere Aussagen über den Einigungsprozeß geben müssen, dazu hätte die SPD keine Furcht haben dürfen, im vergangenen Frühjahr den Minister des Inneren zu stellen. Während die SPD versuchte, auf vielen Pferden zu reiten, ging die CDU als Sieger durchs Ziel.

Aber auch die Bürgerbewegung hat zu wenig zur Beseitigung des sozialen Vakuums beigetragen, das durch den Sturz des SED-Regimes entstanden ist. Die DDR-Gesellschaft fühlte sich wehrlos und hat die Parteien und Gewerkschaften nach westlichem Muster ebenso importiert, wie die Tomaten aus Holland. Dies ist eine echte Gefahr für die demokratische Entwicklung in den neuen fünf Bundesländern. Demokratie kann nur durch Selbstorganisierung entstehen. Die zur Selbstfindung vielleicht auch notwendige Phase der Entpolitisierung der ehemaligen DDR-Gesellschaft muß überwunden werden. Und hier liegt die Aufgabe der Bürgerbewegung für die nächste Zeit. Wir brauchen nicht den Import eines überlebten Parteiensystems und eines veralteten Parlamentarismus sondern neue gesellschaftliche Spielregeln damit wirkliche demokratische Kräfte in den neuen Ländern aus der Gesellschaft heraus auferstehen können. Bärbel Bohley

Die Autorin ist Mitgründerin der Bürgerbewegung Neues Forum, lebt in Berlin und kandidiert für den kommenden Bundestag.