: Haarsträubendglaubwürdig
■ Neu im Cinema: „Der achte Tag“, Gentechnologie-Thriller von Reinhard Münster
Reinhard Münster (Regie und Buch) liebt komplizierte Thriller wie die von Francesco Rosi, Henri Verneuil oder Damiano Damiani — Regisseure, denen es gelingt, ein großes Publikum zu fesseln, obwohl man am Ende nicht unbedingt durchschaut, wer über wessen Kopf und Leiche warum gegangen ist. Denn Thema sind in diesen Thrillern meist Machtkonstellationen, an denen sich Individuen den Schädel einrennen und auf der Strecke bleiben, während die Drahtzieher nur Staub vom Anzug wischen. Der Thriller ergreift zwar die Partei des Einzelkämpfers, will aber nicht die Welt verbessern. Er will — im gelungensten Fall — ästhetisch und dramaturgisch glaubwürdig aufgebaut, mit jenem Stoff, aus dem die Machtkämpfe sind, das Kinopublikum mittels Erschrecken und Spannung unterhalten.
Reinhard Münster nimmt sich als Stoff die Gentechnologie, als Einzelkämpferin die Journalistin Vera (Katharina Thalbach), als mächtigen Gegner die Pharmaindustrie, als Schreckensvision einen untergetauchten, amerikanisierten Nazi, dem es gelungen ist, seine Gene per Retortenbaby weiterzuverpflanzen.
Haarsträubend, könnte man sagen. Denn in diesen Film ist mordsmäßig viel hineingepackt, zusammengemischt, in Kolportagemanier dramatisiert — und mittendrin eine Journalistin, die nicht nur Kind, gescheiterte Ehe, unfähige Kollegen, endlos viel aggressiven Idealismus und eine gehörige Portion hysterische Verletzlichkeit am Hacken hat, sondern auch ganz unverschämtes Glück gegen die Mörder und Verfolger, die ihr das aufklärerische Handwerk legen wollen — was ihnen am Ende dann freilich auch ohne Mord gelingt.
Haarsträubend also, könnte man meinen, doch Münsters Thriller ist - wie die gelungenen dieses Genres — ein haarsträubend spannend erzählter, ästhetisch mondäner, stilistisch souveräner Film, voll mit traumwandlerisch sicher verwendeten Klischees. Man glaubt der Geschichte oft nicht so ganz, aber man glaubt den Bildern, man glaubt der Struktur des Films und seinen Darstellern, daß etwas Ungreifbares mit großem Tempo vor sich geht. Und wieviele deutsche Filme gibt es schon, die eine spannende Geschichte in weltläufigem Rhythmus zu erzählen wissen? Sybille Simon-Zülch
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