UNTERM STRICH

Die wichtigste britische Literaturauszeichnung, der mit umgerechnet 60.000 Mark dotierte Booker-Preis ist am Dienstag abend der englischen Schriftstellerin Antonia S. Byatt für ihr Buch „Possession“ verliehen worden. Für diesen Roman hat die Autorin kürzlich bereits in Irland einen internationalen, mit etwa 61.000 Mark ausgestatteten Literaturpreis erhalten. Die 54jähige lehrt in London englische Literatur und ist die Schwester der Autorin Margaret Drabble. „Possession“ ist eine literarische Detektivgeschichte: Zwei junge Literaturwissenschaftler machen sich gemeinsam auf die Suche nach der Romanze zweier Dichter des 19. Jahrhunderts. Die Auszeichnung, deren Wichtigkeit für den englischen Sprachraum und -markt ungleich größer ist als Lob-Preisungen in Deutschland, wird in diesem Jahr zum 22. Mal vergeben und schließt alle Commonwealth-Veröffentlichungen (also auch Südafrika und Irland) in die Auswahl ein. Im letzten Jahr wurde der in England lebende Japaner Kazuo Ishiguro (siehe letzte Literataz) damit beglückt.

Lauter Preise zum zweiten: Der Deutsche Literaturfonds in Darmstadt hat diversen Autoren und Übersetzern Stipendien zugesprochen, u.a. Rainald Goetz, Karin Kersten, Bodo Morshäuser und Ror Wolf. Den Zeitschriften 'Litfass‘ (ehem. Piper-Verlag) und 'Allmende‘ wurden Zuschüsse gewährt, deren Höhe in der Pressemitteilung diskret verschwiegen wird.

Wo wir ohnehin bei Zahlen sind, kommt uns eine Aufstellung der wahren Bestseller gerade recht. In dem informativen, leider mit dem pädagogischen Titel „Vor dem Ende der Lesekultur“ verunstalteten Reader von W. Christian Schmidt (Morstadt-Verlag), der tiefe Einblicke in den Buchmarkt gibt, finden wir jene Bücher aufgelistet, die sich am besten verkaufen, in die entsprechenden Bestsellerlisten ('Buchmarkt‘, 'Buchreport‘, 'Spiegel‘) aber aufgrund mangelnder literarischer Eignung keine Aufnahme finden. Auf der Libri-Hardcover-Liste, der unbestechlichen Meßlatte für alles Geld, was aus Büchern kommt, findet man bis Platz Nr. 50 nur je einmal Bücher aus verkaufsstarken Verlagen wie Droemer, Kiepenheuer & Witsch, Ullstein u.ä. Dafür aber fünf Schulbücher aus dem Klett- Verlag, drei Sprachführer von Langenscheidt, die legendäre „Mundorgel“ in Text- wie Notenfassung, das Handbüchlein „Hoch- und Niedrig-Wasserzeiten“ (wie viele Matrosen und Fischer muß es noch in Deutschland geben!), ein „Tabellenbuch Metall“ und einen „Kalorien-Kompaß“. Und natürlich auch den guten alten „Dierckes Weltatlas“, der offenbar alle ideologischen Diskussionen um die richtige Weltordnung unter Kartographen unbeschadet überstanden hat. Die ebenfalls lange Zeit beliebten „Worte des Vorsitzenden Mao Tse-tung“ sind angeblich in über 800 Millionen- Auflage in der zweiten Hälfte der 60er Jahre gedruckt und verbreitet worden, heute allerdings nicht mehr lieferbar. taz-Leser, haltet die Worte fest! Worüber man so lange gebeugt in Seminaren saß, andächtig dem nachsinnend, was der Bauer, Arbeiter und Kämpfer von sich gab, das sollte man nicht einfach der Verwesung übergeben. Der bibliographische Wert wird zudem steigen.

Leonard Bernstein ist am Dienstag in New York beigesetzt worden. An der Trauerfeier nahmen lediglich die drei Kinder des Musikers, einige weitere Angehörige der Familie und enge Freunde teil. Leonard Bernstein, der am Sonntag verstorben war, wurde in einem Familiengrab neben seiner Frau, der Schauspielerin Felicia Montealegre, beerdigt. Am 14. November, dem 47. Jahrestag von Bernsteins sensationellem Debüt als Ersatzdirigent für Bruno Walter, soll das offizielle Erinnerungskonzert der New Yorker Philharmoniker stattfinden.

Eine Polyklet-Ausstellung ist im Frankfurter Liebighaus vorgestern eröffnet worden und noch bis zum 20. Januar 1991 zu sehen. Mehr als 200 antike Nachbildungen (denn keine seiner Skulpturen ist erhalten) haben rund 80 Museen und Privatsammlungen aus aller Welt beigesteuert, u.a. das British Museum, der Louvre, das Pergamon-Museum in Berlin und die Leningrader Eremitage. Polyklet (460 bis 420 v.Chr.) galt schon in der Antike als bedeutendster Bildhauer. Ruhm schützt aber Werke nicht: Seinen Originalbronzen war es nicht vergönnt, die Spätantike zu überdauern; sie sind jedoch in späthellenistischen und römischen Kopien überliefert — Nachbildungen, die ihrerseits etwa 2000 Jahre alt sind. Ein 700 Seiten starker Katalog zur Ausstellung ist im Verlag Philipp von Zabern, Mainz, erschienen.

Der Deutsche Bühnenverein (DBV), der Bundesverband der deutschenTheater und der Deutsche Bühnenbund der ehemaligen DDR schließen sich am 21. Oktober in der Deutschen Staatsoper in Berlin zusammen.

Der ehemalige DDR-Minister für Bildung und Wissenschaft,Hans-Joachim Meyer, erhält in diesem Jahr die „Thomas-Morus-Medaille“, die an den im Jahre 1535 hingerichteten englischen Staatsmann erinnert. Mit ihrer Auszeichnung erkennt die Thomas-Morus- Gesellschaft den „aufrechten Weg“ an, den Meyer „als katholischer Christ und christlicher Politiker gegangen“ sei. Die Medaille wird der Ex-Minister am 28. Oktober in Bonn entgegennehmen.