Das Sterben geht weiter

■ Der neue Drogenrekord ist auch eine Folge alter Tabus KOMMENTAR

Wer sich angesichts des traurigen Berliner Rekords an Drogentoten wieder »alarmiert« zeigt, handelt scheinheilig. Daß die jährliche Opferstatistik nun erstmals in der Geschichte der Stadt die Hundertermarke durchbrochen hat, ist kein Anzeichen für eine erneute Drogenwelle. Gestorben sind 1990 in Berlin jene jungen Menschen, die sich irgendwann Anfang oder Mitte der 80er Jahre einmal den ersten Schuß gesetzt haben. Übereinstimmung herrscht in Fachkreisen längst darüber, daß Staat und Gesellschaft sich in ihrer Drogenpolitik verrannt haben.

Der Knackpunkt ist das Strafrecht. FixerInnen, die gar nicht anders können, müssen tagein, tagaus Millionensummen für die Verbrechersyndikate zusammentragen. Unbeteiligte BürgerInnen werden dabei fast zwangsläufig Opfer der Beschaffungskriminalität. Polizei und Justiz sind nach wie vor gezwungen, den Konsum und Besitz auch kleinster Mengen zu verfolgen. Dies wiederum zwingt Schwerkranke in den Untergrund. Immer noch verhindert ein unsinniges Tabu die Legalisierung von Haschisch und den flächendeckenden Einsatz von Ersatzdrogen wie Methadon. Auf Substitutionsprogramme müssen die Betroffenen nach wie vor viel zu lange warten, weil der Staat falsche Sparsamkeit übt. Auf der politischen Ebene stehen Hamburgs SPD-Bürgermeister Voscherau und die Alternativen mit ihrer Vernunft bislang alleine da. Das Gros der SPD-PolitikerInnen, die eine solche Wende einleiten könnten, macht lieber die Augen vor dem Elend zu. Thomas Kuppinger

Siehe auch Seite 31