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Biedenkopfs sächsische Regierung im Amt

Konventionelle Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten: „Sachsen darf kein Land der Tochtergesellschaften werden“/ Kritik an Treuhandverwaltung/ Arbeit und Ökologie versprochen  ■ Aus Dresden Detlev Krell

Wie schon die konstituierende Sitzung des sächsischen Landtages geendet hatte, so begann auch der gestrige zweite Sitzungstag: im Verfassungsstreit. Die Fraktion Bündnis90/Grüne, die gegen das von der CDU-Mehrheit mit SPD- und FDP- Stimmen beschlossene Vorschaltgesetz bereits Verfassungsklage in Karlsruhe eingereicht hat, stellte den Antrag, über das von Biedenkopf benannte Kabinett eine Aussprache zu führen und danach eine „vorläufige Landesregierung“ zu bestätigen. Nach einer Sitzungsunterbrechung lehnte die Mehrheit diesen Antrag ab. Die Bürgerbewegung zog aus, das Parlament ging zur Tagesordnung über. Kurt Biedenkopf stellte sein Kabinett vor, Landtagspräsident Illtgen vereidigte die Minister. Unter zehnfacher Anrufung Gottes trat die Regierung ins Amt.

In seiner gestrigen Regierungserklärung wies Biedenkopf erneut das Ziel, die Einheit Deutschlands als gemeinsames Werk von Ost und West zu vollenden, ein „neues Gemeinwesen“ herauszubilden. Der Freistaat Sachsen und seine Landesregierung müssen, so Biedenkopf, ihre Kräfte auf drei Bereiche konzentrieren: den Aufbau der Regierung und Verwaltung, die Verabschiedung der Landesverfassung sowie die Überwindung der vom SED-Regime hinterlassenen Altlasten und den Aufbau des Landes auch zur Entwicklung Europas. Konkreter legte Biedenkopf das wirtschaftliche Konzept seiner Regierung dar. Es gehe nicht einfach darum, mehr zu arbeiten, sondern die Arbeit intelligenter einzusetzen und wirkungsvoller zu machen. Seine Regierung sei entschlossen, auf eine Veränderung der „Struktur und Organisation des gegenwärtig in der Treuhandanstalt zusammengefaßten ehemaligen volkseigenen Vermögens zu drängen“. Biedenkopf sprach der Treuhand jede Legitimation für die wirtschafts-, regional- und strukturpolitischen Konsequenzen ihrer Entscheidungen ab. Ziel der Landespolitik sei, Unternehmen nicht um jeden Preis zu verkaufen, sondern sie bei der Erneuerung zu unterstützen.

Sachsen dürfe kein Land der Tochtergesellschaften werden. Arbeitslosigkeit stellte Biedenkopf im Zusammenhang mit der strukturellen Anpassung als ein Übergangsproblem dar. Arbeit gebe es genug, keiner müsse abseits stehen. Eine wesentliche Stütze bei der Erneuerung der Wirtschaft sieht Biedenkopf in der Mitwirkung der Kommunen. Besonders in den großen Städten machte der Ministerpräsident „Entscheidungsengpässe“ aus, denen sich die Regierung zuwenden werde. Einer dieser Engpässe seien die Eigentumsverhältnisse bei Grund und Boden. Kommunalisierung und Reprivatisierung sollen „so schnell wie möglich bearbeitet werden“. In seiner Regierungserklärung kündigte er an, daß auf der Grundlage einer Umweltbilanz Prioritäten gesetzt und zuerst die Altschäden abgetragen würden. Dabei werden die Sachsen auf Mittel des Bundes angewiesen sein. Neue Wirtschaftsansiedlungen sollen „auch unter dem Gesichtspunkt ihrer Ökologieverträglichkeit betrieben werden“. Biedenkopf kündigte neue Wege im städtischen Verkehr und die Modernisierung von Schiene und Straße an: „Mehr Wohlstand muß nicht mehr Umweltzerstörung bedeuten.“ Abschießend kündigte Biedenkopf Gespräche mit Gewerkschaften, Unternehmern und Umweltverbänden über die sächsische Zukunft an. Die Debatte über die Regierungserklärung findet am 15. November statt.

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