: Bilder vom Ende des Tropenwaldes
■ Zwei Ausstellungen im Überseemuseum über die IndianerInnen in Amazonien
"Dunkelheit ist das Symbol für Mit-sich-allein-sein, für Träumen und Nachdenken. Licht ist das Leben in der Gemeinschaft." Das ist die Philosophie der Xavante-Indianer im Regenwald Brasiliens. Deshalb wollen sie keine Elektrizität, denn sie würde den natürlichen Rhythmus von Mensch und Natur zerstören. Mit Zerstörungen ganz anderer Art müssen sich die Indianer in den Regenwäldern Südamerikas auseinandersetzen: Die großflächige Rodung aus der Besitzgier der „Zugereisten“ beraubt sie zunehmend ihrer Lebensgrundlagen. Und was da von den weißen Eindringlingen angebaut und gefördert wird, das verbrauchen auch wir im fernen Europa.
Zum „Bremer Monat des Tropenwaldes“ eröffnete das Überseemuseum am Freitag zwei Ausstellungen: „Amazonien — eine indianische Kulturlandschaft“ und „Ich habe geträumt, es kämen Freunde...“ (Begrüßungsformel für willkommene Gäste). Die erste Ausstellung zeigt die Traditionen des naturverbundenen Lebens und Wirtschaftens im tropischen Regenwald. Die Fotos zeigen die Idylle der IndianerInnen, KautschukzapferInnen, ParanußsammlerInnen und FlußanwohnerInnen. Ihr Kreislauf der Bewirtschaftung nach dem Sternenzyklus wird erklärt. Gegenüber: Fotos der großflächigen Waldvernichtung mit Brandrodung und Riesenmaschinen. Straßen, Eisenbahntrassen, Staudämme und Städte folgen den Erdgasfunden, verdrängen die Indianer und verwüsten die Landschaft. Die Krankheiten und Medikamente der Weißen tun ein übriges.
Die zweite Ausstellung ist von KLICK, der Kinder-und Jugendzeitschrift und dem Amazonasreisenden Erwin Bienewald. Sie zeigt Fotos aus dem Urwald- Leben der Indianer. Außerdem: Zeichnungen der Kinder und Jugendlichen zu dem Thema, wie sie sich das Leben der Indianer in zwanzig Jahren vorstellen. Da reiten einsame Indianer über eine Straßenkreuzung, gesäumt von Wolkenkratzern, da irren sie durch Supermärkte mit bunten Verpackungen, da stehen plötzlich Fabriken neben Indianerhütten. Viel Zeit zum Träumen wird den Urwaldbewohnern dann wohl nicht mehr bleiben. Dabei ist Träumen für sie lebensnotwendige Arbeit. „Jede Anstrengung, die nicht notwendig ist, schwächt den Menschen. Jedes Tier, das du heute zu viel fängst, fehlt dir morgen“, finden sie, und deshalb arbeiten sie nur am Nachmittag.
Die Tropenwaldvernichtung bedroht auch uns. Denn die Zerstörung des Tropenwaldes beschleunigt die Klimakatastrophe. Und: Die Tropenwaldvernichtung ist unumkehrbar, denn nach wenigen Jahren landwirtschaftlicher Nutzung sind die Böden so ausgezehrt, daß nie mehr etwas auf ihnen wächst. Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte hoffte in ihrer Eröffnungsrede, daß die Ausstellungen Betroffenheit auslösen wird, damit wir uns im unkritischen Konsumrausch nicht weiter an der Tropenwaldvernichtung mitschuldig machen. Geht es weiter wie bisher, dann bleiben dem Tropenwald im Amazonas gerade noch zwanzig Jahre.
Beate Ramm
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