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DIEAKTUELLEMUSIK-WARNUNG  ■  PAUL WELLER BAND

Wann immer Paul Weller zwischen '77 und '82 die Reinkarnation vom zornigen jungen Mod gewesen sein könnte, seit acht Jahren ist er es mindestens nicht einmal mehr im Traume, selbst für die eingestandensten seiner Anhänger, in deren Brust noch weiterhin ein romantisches Herz pocht. Aber dann und wann, eine kleine Regung in Paules Musikkarriere, mal nach vorn (Dancefloor), mal zurück (angeyuppieter Jazzpop), und Presse und Kritiker und Freunde des guten Geschmacks waren sicher, nun kommt Weller wieder, nun ist der einsame Thron des britischen Intelligenz-Pop nicht mehr verwaist, nun regiert der Prinz der Unterschicht von neuem. Und dabei hat er nichts weiter geleistet, als in dieser Zeit eine Platte unerträglicher als die vorhergehende zu gestalten.

Tja, am Anfang mit The Jam, das ging fünf lange Jahre in Ordnung, da hat er ganze Fußballstadien zum Mitsingen gekriegt, daß die Hooligans glatt Revolution gegen Maggie Thatcher ausgefochten hätten. Dann wäre Weller vielleicht sogar Minister geworden im Parlament von Mark E. Smith. Aber als The Jam sich auflösten, hat er sich mit den Folgeformationen ziemlich ins Abseits bugsiert.

Einen geschniegelten Caféhaus-Pianisten an der Seite des ehemaligen Revolutionärs wollte wirklich nur noch die Presse gutheißen. Style Council, leicht französelnder, salonmarxistischer, nicht vor schnödem Schwulst zurückschreckender Politpop — also irgendwie eklig, aber mit 10 Millionen verkauften Singles äußerst erfolgreich. Man mußte beinahe glauben, er schämt sich dafür, so wie er in den schicken Schwar/Weiß-Videos geguckt hat.

Dann Flucht nach vorn, 12-Minuten-Epen, nicht kleckern sondern weichklotzen, nur Phil Collins fehlte am Schlagzeug zur höheren Muckerweihe. Dann war Weller verschwunden. »Privat hört Paul Weller zunehmend Jazz, wohnt mit seiner Frau und einem zweijährigen Sohn in West-London und findet immer häufiger seine Themen in der eigenen Biographie...« Soweit das Presseinfo.

Jetzt muß ihm langweilig geworden sein, mit Frau und Kind in West-London, wo sich sonst nur das Designer-Volk rumtreibt. Macht nix, er hat ja immer noch seine treuesten Fans in Deutschland, wie er im Info verlauten läßt. Die freuen sich bestimmt, wenn er mit All-Star-Band noch mal so richtig die Sau rausläßt auf die alten Tage. Danach noch irgendwo ein gepflegtes Bier und Jazz hören, ganz wie der Weller. »Wenn sie mögen«, würde jetzt Denes Törz abschließen. Wer mag, kann im Quartier noch einmal zur »neuen Bewegung« von früher gehören. Harald Fricke (Voto: Roland Owsnitzki)

UM20UHRIMQUARTIER

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