Napalmfässer angeblich „unbedenklich“

Bundeswehr entsorgt Napalmfässer auf Schrottplatz/ Regierungspräsidium erkennt keine Gefährdung/ Jetzige Eigentümer seien selbst für Schutz der Fässer verantwortlich  ■ Aus Tübingen Erwin Single

Meterhoch stapeln sich die Paletten mit den als „M 2-Napalm“ deklarierten Fässern auf dem frei zugänglichen Schrottplatz des Autoverwerters Möck im Tübinger Industriegebiet. Nach der Aufregung, die die aus Nato-Beständen stammenden Fässer gestern ausgelöst hatten, versuchen Bundeswehr und Regierungspräsidium nun, den brisanten Fund zu verharmlosen. Die Behörden bestätigten zwar, daß es sich beim Inhalt der rund 350 Fässer um den Napalmgrundstoff „Naphten-Palmitin“ handle, der aus sechzig Prozent Ölsäure, dreißig Prozent Kokosnußfettsäure sowie je fünf Prozent Naphtensäure und Aluminiumsalzen bestehe; die Substanz aber sei völlig ungefährlich.

„In dieser Zusammensetzung kann ,Napalm‘ ohne Bedenken gelagert werden“, folgerte das Tübinger Regierungspräsidium, zumal dies auch nicht gegen „öffentlich-rechtliche Vorschriften“ verstoße. Im Regierungspräsidium sieht man sich auch nicht veranlaßt, die Fässer vor Unbefugten zu schützen. Das sei schließlich Sache des Eigentümers, erklärte der Leiter der Umweltabteilung, Jürgen Fluhme. Der Stoff sei zwar allein harmlos, hatte der Mannheimer Chemieprofessor Jürgen Rochlitz nach Probenuntersuchungen erklärt; mit Benzin vermengt lasse sich aber eine Brandwirkung erzielen, die einer Napalmbombe nahekomme. Der Altwarenhändler Möck, der für das aus Luftwaffenstützpunkten stammende Kampfstoffmaterial vom Koblenzer Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erhielt, will für die Fässer keine Verantwortung mehr übernehmen und sie schleunigst wieder an die Bundeswehr abgeben. Auf der Bonner Hardthöhe wurde abgewunken. Scheinbar war es für die Bundeswehr nicht leicht, Abnehmer für ihre „Industrieseife“ zu finden, für die Möck insgesamt fünfzig D-Mark bezahlte.

Obwohl der Einsatz von Napalm als Kampfstoff von einer Genfer UN- Konferenz 1981 verboten wurde, verfügte die Bundeswehr offensichtlich über größere Mengen des geächteten Kriegsmaterials. Auf eine Anfrage des sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten Gansel hatte die Bundesregierung bereits im Jahr 1976 bestätigt, Napalmbestände an unterschiedlichen Standorten gelagert zu haben. Bestätigt wurde damals auch die Gefährlichkeit des Stoffes, dessen Komponenten, zu denen neben der Chemikalie Phosphorzünder, Bombenhülsen und Kerosin gehören, strengen Schutzvorkehrungen unterworfen waren. 1983 ließ die Bundeswehr dann von der Pfälzischen Chemiehandelsfirma Schiefner in einem Gutachten bescheinigen, daß sich der Grundstoff „M 2-Napalm“ als Industrieseife verkaufen lasse.