■ NOCH 3326 TAGE BIS ZUM JAHR 2000
: Rambo killt das Krümelmonster

Bruno Bettelheims „Kinder brauchen Märchen“ gilt nicht mehr. Heute brauchen Kinder Fernsehen, und zwar jede Menge. Das behaupten zumindest die Experten, die zum 25jährigen Bestehen des Internationalen Zentralinstituts für Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) über das Thema „Kinderfernsehen und gesellschaftliche Verantwortung“ diskutierten. Knapp eineinhalb Stunden täglich verbringen Kinder im Alter von sechs bis 13 Jahren durchschnittlich vor dem Flimmerkasten. Das ist völlig in Ordnung, sagt die Psychologin vom Bayerischen Rundfunk, die Glotze zu verdammen und fernsehen zu verbieten, wäre weltfremd. Angestrebt werden anscheinend japanische Zustände. Dort sitzen Kinder bereits mit einem Jahr vor dem Kasten und im Alter von zwei bis drei Jahren schon zwei bis drei Stunden täglich.

Zwar werden immer noch Die Sendung mit der Maus und die Sesamstraße gesehen, aber am liebsten haben die Gören den richtigen harten Stoff wie A-Team oder Knight Rider. Die Faszination von Action und Gewalt wird immer größer. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verlieren immer mehr Nachwuchszuschauer an die Privaten. 55 Prozent der Eltern glauben zwar, daß ARD und ZDF ein qualitativ besseres Programm bieten und der Verantwortung gegenüber den Kindern besser gerecht werden, doch die Kleinen sind anderer Meinung und schalten zu den Privaten um.

„Wir sind kein kinderfeindlicher Cartoon- und Actionsender“, wehrte sich Eva Ploder vom Münchner Privatsender Tele 5. „Wir machen ein gutes Kinderprogramm, vor und nach der Kinderstunde gibt es keine Action.“ Das stimmt. Tele 5 sendet nach einem halben Dutzend Zeichentrickfilmchen gerne blöde Quizsendungen, und die sind natürlich viel kindgerechter. Die Bemühungen um ein kinderfreundliches Programm werden auch bei den Öffentlich- Rechtlichen intensiviert. Doch die Lieblingsfernsehzeiten der Kinder zwischen 18.00 und 20.00 Uhr sind schon belegt. Wegen Werbeverpflichtungen können keine Kindersendungen ausgestrahlt werden. Bei den Privaten laufen zu der Zeit die wilden Schieß- und Prügelorgien, die die Kids so lieben. Die Eltern haben fast keine Chance. Eine Umfrage des IZI hat gezeigt, daß ein Drittel der Eltern zugibt, ihre Kinder sähen mehr fern, als sie selbst für richtig halten. Elf Prozent gaben sogar an, keinen Einfluß darauf zu haben, wann ihre Sprößlinge den Kasten einschalten oder was sie sich anschauen. Karl Wegmann